Dezember 2004: |
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Massenentlassungen bei Opel sollen durch Auffanggesellschaften verdeckt werden. Das Versagen des Managements und die Orientierung aufs Finanzgeschäft bei GM sollen jetzt zu Lasten der Arbeitnehmer gehen.
Im Bild eine Demonstration der Opel-Mitarbeiter in Rüsselsheim.
Tatsache ist: General Motors baut bei Opel Deutschland ca. 10 000 Arbeitsplätze ab. Das geschieht durch den Verkauf von Teilen des Werkes oder die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen. Betroffen sind der Logistikbereich in Bochum, und der Bereich Komponentenfertigung soll von dort in andere Opelwerke verlagert werden. Die Ersatzteillager in Bochum und Rüsselsheim sollen mit anderen Unternehmen wie z.B. Caterpillar zusammengeschlossen werden. Davon sind insgesamt 2000 Beschäftigte betroffen.
6500 Opelaner sollen in Auffanggesellschaften übernommen werden, in denen sie ab Januar 2005 bei geringerem Einkommen für zwei Jahre untergebracht werden. Der Rest soll über Vorruhestandsregelungen oder Abfindungen abgewickelt werden. Soweit das ausgehandelte "Rahmenabkommen". Im nächsten Jahr will Opel die übertariflichen Leistungen, die zwischen 15 und 20% liegen, abbauen und längere Arbeitszeiten durchsetzen. Eine Standortgarantie für die Opelwerke in Deutschland wurde nicht gegeben.
Der "Rahmenvertrag" sei eine gute Nachricht, freute sich Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz von der SPD.
Der Generalsekretär des europäischen Metallgewerkschaftsbundes, Reinhard Kuhlmann, bezeichnete das "Rahmenabkommen" zwischen dem Opel-Betriebsrat und dem General Motors Europe Management sogar euphorisch als "pfiffigen Teilerfolg" für die Mitarbeiter. Im Hessischen Rundfunk sagte er dazu: "Wir haben den Menschen die Furcht genommen, daß sie betriebsbedingt gekündigt werden und dann in eine Falle geraten, aus der sie schwer wieder herauskommen. Wir haben den Mitarbeitern Zeit gekauft und das Unternehmen verpflichtet, sich um die Zukunft der Mitarbeiter praktisch zu kümmern." Beschäftigungsgesellschaften seien daher keine Institutionen, die ins Abseits führten, sondern zurück in die Mitte des Arbeitsmarktes.
Der Vorsitzende des Opel-Gesamtbetriebsrates Klaus Franz zeigte sich zufrieden: "Wir haben unser wichtigstes Ziel erreicht und europaweit betriebsbedingte Kündigungen verhindert." Das gemeinsame Ziel sei, die Restrukturierung sozialverträglich zu gestalten. So weit die Sprachregelung der IG Metall.
Die Arbeiter bei Opel sehen das allerdings realistischer. "Wir landen doch alle bei Hartz IV" oder "Was die uns anbieten, ist doch alles wertlos" waren die Reaktionen auf die Reden von Opel-Personalvorstand Norbert Küpper und dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates anläßlich der Einigung auf den "Rahmenvertrag". Einer stellte richtig fest: "Wenn es keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll, heißt das Kind nur anders."
Die Arbeitgeberseite hat dieses Konzept nur allzu gerne übernommen, kann sie doch auf diese Weise mitten in der Wirtschaftskrise ihre Mitarbeiter billig entsorgen. Bekanntestes Beispiel ist die Telekom-Auffanggesellschaft Vivento mit mehr als 26 000 Mitarbeitern, von denen derzeit die Hälfte über Zeit- und Leiharbeit beschäftigt werden, natürlich zu viel niedrigeren Löhnen. Kein Wunder, daß Vivento bei den ehemaligen Mitarbeitern keinen guten Ruf hat: "Wie-wenn-tot" wird der Name verballhornt. Erfreulich für die Arbeitgeber ist natürlich auch, daß die Bundesagentur für Arbeit 60 bis 67% als Transfer-Kurzarbeitergeld bezahlt - normalerweise für ein Jahr. Zusätzlich hat die Bundesregierung die Bedingungen zur Schaffung von Auffanggesellschaften erleichtert. Mußte früher nachgewiesen werden, daß die Branche in einer Strukturkrise steckte, reicht seit dem 1. Januar dieses Jahres der angekündigte Personalabbau eines Betriebes aus.
Knapp 8400 Menschen erhalten derzeit das Transfer-Kurzarbeitergeld. Mit dem "Rahmenabkommen" bei Opel kommen dann nächstes Jahr auf einen Schlag 6500 dazu. Die Erfolge der Transfergesellschaften sind viel geringer als erwartet und mit der Verschärfung der Wirtschaftskrise werden die Chancen mit jedem Tag geringer, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Ulrich Küntzel vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater gibt offen zu: "Nur sehr wenige Mitarbeiter finden von dort aus tatsächlich einen neuen Arbeitsplatz."
Statistisch gesehen werden die Erfolge der Transfergesellschaften natürlich enorm ansteigen, wenn die Arbeitnehmer im Rahmen von Hartz IV ab nächstem Jahr gezwungen sein werden, jede Arbeit anzunehmen. Wenn dann ein qualifizierter Opelarbeiter bei McDonalds platte Fleischklopse wendet, ist es statistisch gesehen eine erfolgreiche Vermittlung. Für die Zukunft des Ruhrgebietes ist es allerdings ein Desaster, wenn immer mehr produktive Arbeitsplätze zerstört werden.
Für die IG Metall scheinen diese Transfergesellschaften auch noch ein lohnendes, wenn auch umstrittenes Geschäft zu sein. Eugen Kahl, Mitglied des Opel-Betriebsrates in Rüsselsheim, kritisiert die Gewerkschaft mit harten Worten: Die IG-Metall-Fraktion des Betriebsrates hätte sich von einer Arbeitervertretung zu einer verdienstorientierten Abwicklungsgesellschaft gemausert. Stets komme bei solchen Beschäftigungsgesellschaften IG-Metall-Justitiar Peter Hunnekuhl und dessen Beratungsfirma "Mypegasus" ins Spiel. Es scheine, daß sich unter alternden Betriebsräten mittlerweile herumgesprochen habe, daß es bei so einer Auffanggesellschaft einiges zu verdienen gebe, man sich praktisch damit noch einen goldenen Abgang zukommen lassen könne - auf Kosten der Mitarbeiter.
Die impotenten Gewerkschaften sind aber nur die eine Seite des Problems. Auf der anderen finden wir das völlig inkompetente Management bei GM. Die Erfolge dieser Manager lesen sich wie folgt: Von 1993 bis heute haben sie den Marktanteil von Opel in Deutschland von 17,2% auf 10,3% heruntergewirtschaftet - ein Verlust von 40%! Aber auch in den USA sieht es für GM nicht besser aus. Mit der Produktion von Autos macht GM dort schon längst keine Gewinne mehr, für die ist ausschließlich die Finanzabteilung GMAC Financial Services verantwortlich. Und die kündigte schon an, daß es aufgrund der Turbulenzen auf den Finanzmärkten sehr schwierig sein werde, weiter Gewinne zu machen. Der Grund für den beispiellosen Gewinneinbruch im Autobereich von GM liegt in der völlig sinnlosen Rabattschlacht, die Rick Wagoner 2001 selber ausgelöst hat, um Marktanteile zu sichern und die jetzt das Unternehmen in den Ruin treibt.
Dazu kommt noch der völlig unverständliche Einstieg bei FIAT, einem schon seit langem maroden Unternehmen, für den der jetzt so sparwütige GM-Chef Rick Wagoner mitverantwortlich ist.
Im März 2000 ist GM mit 2,4 Mrd. Dollar bei FIAT eingestiegen und erwarb damit 20% der Anteile. FIAT sicherte sich im Gegenzug das Recht, seine Autosparte zwischen 2005 und 2010 zu jedem beliebigen Zeitpunkt an GM abstoßen zu können. Die Agnellis wollten sich dann ins ertragreichere Finanzgeschäft zurückziehen, und GM hoffte, durch diesen Zukauf seinen Spitzenplatz in der Autobranche weltweit zu verteidigen. Der Preis für diesen Deal, und das war damals schon abzusehen, ist aber einfach zu hoch, schließlich ist FIAT mit 20,6 Mrd. Euro verschuldet. Jetzt will GM FIAT 500 Mio. Euro bieten, damit sie wieder aus diesem Vertrag aussteigen können. FIAT verlangt aber bis zu 3 Mrd. Euro, die sie dringend brauchen, um im September 2005 fällige Wandelanleihen bei den Banken zu begleichen.
Man sieht hier mehr als deutlich, daß es überhaupt nicht mehr um die Autoproduktion geht, obwohl zwei große traditionelle Automobilbauer in diese Geschäfte verwickelt sind, es geht nur noch um Finanzgeschäfte und Umschuldungen, die die gesamte Unternehmenspolitik diktieren. Bei GM kommt noch ein weiterer Finanzaspekt dazu, denn das Unternehmen hatte im vergangenen Jahr eine "Unterdeckung" in seinen Pensionskassen in deutlich zweistelliger Höhe. Unterdeckung ist eine freundliche Sprachregelung für Fehlspekulationen, weil in den USA solche Pensionskassen meist in Form von Fonds gehalten werden. Wenn der Kurs der Aktien steigt, braucht das Unternehmen nichts in die Kassen einzuzahlen, sinken die Kurse allerdings, werden die Pensions- und Gesundheitsleistungen zur "immer größeren Belastung". Die gesamten Verpflichtungen des Konzerns in diesem Bereich liegen nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei 60 Mrd. Dollar.
Deshalb muß die Frage erlaubt sein: Wenn Rick Wagoner in Europa mehr als 500 Mio. Euro jedes Jahr einsparen will, hat das wirklich noch etwas mit "zu hohen Löhnen" oder "zuviel Beschäftigten" zu tun oder geht es nicht einfach darum, die "teure Produktion" langsam aber sicher einzustellen und sich nur noch auf die billige Spekulation zu beschränken, wie die Agnellis das jetzt schon offen betreiben.
Eine wirkliche solide Sparpolitik - nämlich durch Investitionen in den produktiven Bereich - versteht diese Sorte Manager sowieso nicht. Als vor Jahren die Entwickler des CargoCab an GM herangetreten sind, um ihnen zu zeigen, wie man dieses neuartige Transportmittel zur Senkung der Logistikkosten einsetzen kann, weil die Opelwerke in Bochum weit auseinanderliegen, ging GM auf diesen Vorschlag überhaupt nicht ein.
Da es offensichtlich ist, daß dieses Management mit Unterstützung der Gewerkschaft diesen Betrieb gänzlich ruinieren wird und damit dem Gemeinwohl einen schweren Schaden zufügt, sollte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß die Arbeiter diesen Betrieb für die symbolische Summe von einem Euro übernehmen und, wenn die Autos sich nicht verkaufen lassen, ihn auf die Produktion anderer wichtiger Güter umrüsten, wie die Massenproduktion von CargoCabs zum Beispiel.
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