Februar 2003:
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Der Ausweg: Arbeit schaffen!

Die Bundesrepublik braucht ein Investitions- und Wiederaufbauprogramm, das sich am Lautenbach-Plan orientiert. Damit zöge Kanzler Schröder die einzig vernünftige Konsequenz aus der verheerenden Wahlniederlage der SPD in Hessen und Niedersachsen.

Öresund-Brücke
Im Bild: Die Öresund-Brücke, die Skandinavien mit dem westeuropäischen Kontinent verbindet

Schon die landesdurchschnittlichen Stimmenzahlen des 2.Februars waren für die SPD ein Debakel: Mehr als 10% Verlust in Hessen, mehr als 14% in Niedersachsen. Und bei der Erststimmenzählung ergab sich sogar eine erdrückende Mehrheit der CDU, die in 46 von insgesamt 55 hessischen Wahlkreisen und in 98 von insgesamt 100 niedersächsischen Wahlkreisen das Rennen machte. Das für die SPD alarmierendste Warnzeichen ist aber die hohe Zahl von einigen hunderttausend sozialdemokratischen Kernwählern, die der Wahlurne fernblieben. Das sind Bürger, deren Enttäuschung und Verärgerung über das wirtschaftspolitische Versagen der Bundesregierung so groß geworden ist, daß selbst die kurz vor dem Ende des Wahlkampfs verstärkte SPD-Kampagne gegen den Irakkrieg sie nicht dazu brachte, am 2.Februar der Partei des Bundeskanzlers ihre Stimme zu geben.

Das bestätigt den Trend, der in den Januarwochen durch Meinungsumfragen angedeutet wurde: Demnach hätte die SPD aufgrund der katastrophalen Wirtschaftsbilanz nur noch 24-28% der Stimmen erzielt, wenn im Januar Bundestagswahlen stattgefunden hätten. Es liegt nahe, daß viele Hessen und Niedersachsen unter den 970000 Deutschen, die sich insgesamt im Januar arbeitslos meldeten (der höchste monatliche Zuwachs seit 50 Jahren), am 2.Februar nicht SPD gewählt haben.

Der Nettoanstieg der Arbeitslosigkeit im Januar liegt um 398000 über der Zahl, die Ende Dezember gemeldet wurde, und der Januarwert von 4,623 Millionen wurde lediglich von den Werten für die entsprechenden Krisenmonate 1997 (4,658 Millionen) und 1998 (4,823 Millionen) übertroffen. Nicht einmal fünf Monate nach der Bundestagswahl steht Kanzler Schröder, was die Lage auf dem Arbeitsmarkt anbelangt, fast da, wo Kanzler Kohl im Frühjahr 1998 (kurz vor dem Ende seiner Amtszeit) stand. Die durch den Regierungswechsel in Niedersachsen verschobene Kräftesituation im Bundesrat erlaubt Schröder künftig in wichtigen Bereichen nur noch dann Mehrheiten, wenn vor Gesetzesabstimmungen Einigkeit mit der CDU erreicht ist.

Man redet schon von der "Großen Kooperation", einer Art informeller Großer Koalition zwischen SPD und CDU/CSU, mit der das Land regierungsfähig gehalten werden muß. Mit seiner dünnen rot-grünen Bundestagsmehrheit von vier Stimmen ist Schröder nun erst recht ein Kanzler auf Abruf - ein Mißtrauensvotum würde enthüllen, daß nicht einmal die SPD-Stimmen ihm sicher sind. Kann Schröder so überhaupt noch regieren? Wenn er die Dinge weiter so laufen läßt, mit Sicherheit nicht. Nur die Unentschlossenheit der Opposition, die noch größer scheint als die Unentschlossenheit des Kanzlers, würde ihn weiter im Amt halten.

Schröder hatte eine große politische Chance unmittelbar nach der spektakulären Jungfernfahrt mit dem deutsch-chinesischen Transrapid in Shanghai am 31.Dezember, die international wie auch unter der deutschen Bevölkerung einen Begeisterungsschub auslöste. Gleich bei seiner Rückkehr nach Deutschland hätte er einen umfassenden Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ankündigen sollen. Er hätte eine Abkehr vom Einsparkurs Eichels zugunsten gezielter Investitionen in öffentliche Infrastrukturvorhaben wie zum Beispiel Großprojekte für den Transrapid in Deutschland deutlich machen müssen und am besten Eichel abgelöst und ersetzt. Das wäre ein glaubwürdiges Signal zum sichtbaren und schnellen Abbau der Arbeitslosigkeit gewesen, und viele der Entlassungen, die von Mittelstandsfirmen und anderen Betrieben gerade im Januar vorgenommen wurden, hätten sich vermeiden lassen.

Der Kanzler hätte weiterhin den 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages am 22.Januar zum Anlaß nehmen können, zusammen mit der französischen Regierung eine Abkehr vom Maastricht-System und eine Hinwendung zu milliardenschweren produktiv-industriellen Aufbauprogrammen zu verkünden. Aber im wirtschaftspolitischen Teil ist die deutsch-französische Erklärung zum Elysée-Jahrestag nebelhaft geblieben.

Der Bundeskanzler hätte drittens beherzigen sollen, was ihm die BüSo-Bundesvorsitzende Helga Zepp-LaRouche vor fünf Monaten in ihrem Offenen Brief (siehe Ausgabe Nr.43/2002 dieser Zeitung - d. Red.) geraten hat: nämlich eben nicht zu warten, bis der wirtschaftliche Niedergang unumkehrbar geworden ist, sondern Lehren zu ziehen aus dem Lautenbach-Plan von 1931 zur Ankurbelung von Produktion und Beschäftigung, mit dem sich die tragischen Entwicklungen der Jahre danach hätten vermeiden lassen - wären Lautenbachs Vorschläge rechtzeitig in die Tat umgesetzt worden.

Der Bundeskanzler hatte diese drei Chancen im Januar, und er hat sie nicht genutzt. Immerhin gibt es den tiefen Schock über das Debakel der Landtagswahlen vom 2.Februar, und der kann für die SPD heilsam sein, wenn sie nun im Februar das tut oder wenigstens in Bewegung bringt, was sie im Januar unterlassen hat. Es sind ja erste Schritte von Sozialdemokraten zum wirtschaftspolitischen Umdenken erkennbar. So sagte die Bundestagsabgeordnete Andrea Nahles, die auch im SPD-Bundesvorstand sitzt, am 4.Februar in einem SWR-Radiointerview: "Ich will ganz deutlich sagen: Wir brauchen einen Kurswechsel. Wir müssen die restriktive Haushaltspolitik von Hans Eichel verlassen, damit die Kommunen wieder Investitionen tätigen können oder wenigstens Infrastruktur, wie zum Beispiel Hallenbad oder anderes, aufrechterhalten können."

Befragt, ob sich die SPD darüber denn überhaupt mit der CDU verständigen könnte, antwortete Frau Nahles (die immerhin als "Linke" gilt): "Die CDU-Länder und die CDU-Kommunen haben dieselben Haushaltsprobleme wie die SPD-Kommunen und SPD-Länder. Also, ich denke, vernünftige Vorschläge, wie man die Basis und die Einnahmeseite verbessern kann, kann sich auf Dauer auch die CDU nicht verschließen. Das ist auch eine Frage des Ideenreichtums und des Geschicks."

Am selben Tag meldete sich Michael Sommer, Bundesvorsitzender des DGB, in einem Interview mit dem DLR Berlin zu Wort: "Dieses Land braucht eine Investitionsoffensive." Um die dafür nötigen Gelder freizusetzen, müsse man die Maastricht-Kriterien flexibler handhaben, sagte Sommer. "Wir können sie nicht einhalten in einer Situation wie der, in der wir heute stecken." Und mit deutlichem Hinweis auf Eichels Politik fügte Sommer hinzu: "Was heute gemacht wird, ist grundfalsch." Von der Bundesregierung müsse man jetzt mehr verlangen, sagte der DGB-Chef: "Es geht nicht alleine mit einer Mittelstandsoffensive, es geht auch nicht mit einer unsäglichen Diskussion um den Kündigungsschutz, sondern es geht nur dadurch, daß diese Regierung wirklich durchstartet auf dem ökonomischen Gebiet." In einem weiteren Interview sagte Sommer: "Der Sparkurs des Bundesfinanzministers schadet schlicht und ergreifend der deutschen Wirtschaft, weil er in einer Zeit der Krise dazu führt, daß die Krise noch weiter verschärft wird... Wir brauchen mehr öffentliche Ausgaben, um die Investitionen anzukurbeln. Wir befürchten, daß ohne Gegensteuern die Zahl der Arbeitslosen gegen fünf Millionen geht."

In der Tat: Handelt die Bundesregierung jetzt nicht, verspielt sie weitere Zeit mit irrealen Planspielen aus der neoliberalen Mottenkiste der Haushaltseinsparer, dann liegt Ende Februar die Zahl der Arbeitslosen bei fünf Millionen. Die Bundesrepublik wäre dann nicht mehr weit entfernt von jenen sechs Millionen Arbeitslosen, die im Frühjahr 1932 am schwärzesten Punkt der Wirtschaftsdepression der Weimarer Republik gemeldet waren. Würde die heutige Republik solche Belastungen aushalten? Es ist höchste Zeit, daß Sie etwas tun, Herr Bundeskanzler!


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