Oktober 2002:
Pfad:> Partei BüSo> BüSo Hessen> Dialog der Kulturen> Archiv


Kardinäle Ratzinger und Lehmann

Bischofskonferenz: Kein Recht auf "Präventivkrieg"

Auszüge aus einer Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zu dem drohenden Angriff der USA auf den Irak



Chronologie der Ereignisse:

22. Juli 2002: Papst Johannes Paul II. betet für Frieden für den Irak
10. September 2002: Erzbischof Jean-Louis Tauran, Präfekt für die Beziehungen der Staaten, spricht sich für eine Friedenslösung aus
10. September 2002: Erklärung der US-amerikanischen Bischofskonferenz gegen einen Präventivschlag
13. September 2002: Brief der amerikanischen Bischöfe an Präsident Bush gegen einen Präventivschlag
23. September 2002: Erklärung Kardinal Ratzingers, des Vorsitzenden der Kongregation für die Glaubenslehre gegen einen Präventivschlag
27. September 2002: Erklärung der italienischen Bischofskonferenz gegen einen Präventivschlag
27. September 2002: Erklärung der deutschen Bischofskonferenz gegen einen Präventivschlag
9. Oktober 2002: Erklärung der europäischen Bischofskonferenz gegen einen Präventivschlag
15. Oktober 2002: Erklärung der französischen Bischofskonferenz gegen einen Präventivschlag

Es folgen Auszüge aus der Erklärung der deutschen Bischöfe gegen einen Präventivkrieg:

Als Bischöfe wollen wir uns nicht den Tagesaktualitäten zuwenden, die sich ständig verändern. Wohl aber sehen wir uns in der Pflicht, an einige Grundsätze der katholischen Friedensethik zu erinnern, wie wir sie in unserem Friedenswort "Gerechter Friede" niedergelegt haben.

1. Der Krieg ist eines der schwerwiegendsten Übel und darf daher niemals zu einem gleichsam "normalen" Mittel der internationalen Politik werden. Nach katholischer Lehre kann die Anwendung von Gewalt überhaupt nur ethisch verantwortbar sein, wenn einem bewaffneten Angriff, einem Genozid oder dauerhaften und schwersten Menschenrechtsverletzungen anders nicht wirksam begegnet werden kann. Auch muß der militärische Einsatz Bestandteil eines umfassenden politischen Handlungskonzeptes sein, das die Herbeiführung eines gerechten Friedens zum Ziel hat. Die Beanspruchung eines Rechts zum "Präventivkrieg", der auf Verdacht und Vermutung hin erklärt würde, ist nicht zulässig.

2. Die Rückkehr der Waffeninspektoren und die Zerstörung möglicher Massenvernichtungswaffen im Irak sind legitime Ziele der internationalen Gemeinschaft. Gemäß dem Völkerrecht stellt hingegen der Sturz einer von der Statengemeinschaft anerkannten Regierung keinen Grund dar, der es rechtfertigen könnte, einen Krieg zu beginnen. Diesen Grundsatz zu verletzen oder zu unterlaufen, bedeutete eine Infragestellung des völkerrechtlichen Gewaltverbots, das für die Stabilität des internationalen Staatensystems von zentraler Bedeutung ist.

3. Alle Maßnahmen zur Durchsetzung der UNO-Resolutionen müssen von der legitimen völkerrechtlichen Autorität beschlossen werden. Alle Länder sind verpflichtet, die Entscheidungen der zuständigen Organe auch dann zu respektieren, wenn sie ihren eigenen Vorstellungen zuwiderlaufen.

4. Bei der Entscheidung über einen möglichen Einsatz militärischer Mittel müssen stets auch die absehbaren unerwünschten Folgen berücksichtigt werden. Wirfragen daher: Würde ein Krieg gegen den Irak nicht aller Wahrscheinlichkeit nach eine Unzahl von zivilen Opfern fordern? Und droht er nicht, schwerwiegende politische Verwerfungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten nach sich zu ziehen und die Ablehnung des Westens in der arabischen und muslimischen Welt zu vertiefen?

Vor diesem Hintergrund drängen wir nachdrücklich darauf, einen Krieg im Irak zu vermeiden. Die Politik des Drucks, der auf das Regime des Saddam Hussein ausgeübt werden muß, darf nicht so angelegt sein, daß sie unvermeidlich in einem Krieg endet. Gerade für den Nahen Osten gilt: Nicht die Vermehrung der Gewalt ist das Gebot der Stunde, sondern die Unterbrechung der Kette der Gewalt. Nur wenn alle Völker der Region den Eindruck gewinnen, daß ihre Interessen in den Machtzentren der internationalen Politik ernsthaft berücksichtigt werden, kann jenes Vertrauen wachsen, ohne das es keinen Frieden gibt.


Zurück zur Dialog-Hauptseite: