April 2003:
Pfad:> Partei BüSo> BüSo Hessen> Politik in Hessen> Archiv


Blitztip: Interview mit Alexander Hartmann:

Im Anschluß an die Kandidatenvorstellung und die Telefonsprechstunde mit Alexander Hartmann veröffentlichte das kostenlose Wochenblatt Blitztip am 23. April ein halbseitiges Interview, das auf der Titelseite angekündigt war.

Baustelle in Klarenthal
Stichwort Wohnungsmisere: Im Bild ist eine der selten anzutreffenden Baustellen auf der Reihenhäuser entstehen, in Wiesbaden-Klarenthal.

Wiesbaden braucht keine "Wohnklötze im Käfighaltungs-Design", sondern durchaus bewohnbare, aber auch bezahlbare Familienwohnungen, deren Bereitstellung nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden kann.

Hartmann: Zwei Dinge: Zum einen repräsentiert er die Stadt und ihre Interessen, auch gegenüber dem Land und dem Bund. Er muss dort für die Stadt einstehen, gerade wenn das, was „von oben„ kommt, nicht den Interessen der Stadt entspricht. Er muss Initiativen in Gang setzen, die für die Kommunen einen Weg aus der Krise ermöglichen. Das zweite ist, dass er eine Art Manager der Betriebe der Stadt ist, was natürlich sehr viele verschiedene Bereiche umfasst. Hartmann: Wiesbaden hat ein riesiges Verkehrsproblem. Wir brauchen ein Schnellbahnnetz, also den Ausbau der S-Bahnen, und wir brauchen vor allem eine U-Bahn, was sich in vielen Städten bewährt hat. Ich denke, dass Mainz und Wiesbaden als Gesamtregion bevölkerungsreich genug sind, um dies zu tragen.
Das zweite ist die Frage der Wohnungsmisere. Wiesbaden ist eine Stadt mit einem sehr hohen Mietniveau. Die Zahl der Sozialwohnungen ist zu gering, sie hat sich in den letzten Jahren halbiert. Durch die hohen Mieten werden die Mieter ins Umland bis nach Limburg vertrieben, und dann kommen sie täglich als Pendler in die Stadt und verstärken hier die Verkehrsprobleme. Wir brauchen also ein großes Wohnungsbauprogramm. Ich denke dabei an etwa 20.000 Wohnungen in den nächsten sechs Jahren. Der dritte Bereich, wo ich einen Impuls setzen würde, wäre die Schaffung einer Universität, was zwar eine Sache des Landes ist, aber das wäre meine Verhandlungsposition, damit wir die Möglichkeit haben, gerade die jüngeren Leute und Arbeitskräfte nach Wiesbaden zu holen. Hartmann: Kurzfristig, sich einen Überblick zu verschaffen, was die genaue Lage der Stadt eigentlich ist. Ich würde gleichzeitig juristische Initiativen in Gang setzen. Ich meine z.B., das bei den Maastricht-Kriterien einiges verfassungswidrig ist. In der Urteilsbegründung bei der Klage der vier Professoren gegen den Maastricht-Vertrag wurde angedeutet, das sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Maastricht-Vertrages neu stellt, wenn das wirtschaftliche Gleichgewicht in Frage gestellt wird. Ich glaube, das ist heute der Fall. Man kann also gegen die juristischen Beengungen, die uns der Maastricht-Vertrag auferlegt, etwas tun. Das zweite sind eine Reihe von Bereichen, in denen in den letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren Gesetze geändert wurden, und zwar sehr zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger. Zum Beispiel wurde die Gemeinnützigkeit von Wohnungsbaugesellschaften aufgehoben. Das hat meines Erachtens großen Schaden angerichtet. Ein anderes Beispiel ist die Vorschrift, dass der Müll getrennt werden muss, was wahrscheinlich sogar mit dem Umweltschutzgebot der Verfassung kollidiert, weil es in der Praxis soviel zusätzlichen Aufwand bedeutet, dass es alle potentiellen positiven Faktoren für die Umwelt aufhebt.
Weiterhin würde ich den Kontakt mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau aufnehmen und sehen, was dort an finanziellen Mitteln zu mobilisieren ist, selbst wenn Maastricht weiterhin in der bisherigen Form gelten sollte.
Ein weiterer Aspekt wird die Verbesserung des Verkehrssystems sein, das man zunächst einmal an den bestehenden Bahnlinien die Möglichkeit zusätzlicher Stationen erwägt, um den Nutzungsgrad zu vergrößern. Der nächste Punkt sind die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau der Ländchesbahn und der Aartalbahn. Dort kann man mit relativ geringem Aufwand die Möglichkeiten verbessern, in die Stadt hereinzukommen. Die Planung der U-Bahn in Gang zu setzen, zählt sicherlich zur längerfristigen Zukunftsplanung von bis zu zehn Jahren.
Weiterhin sind Änderungen beim Flächennutzungsplan der Stadt Wiesbaden in Gang zu setzen. Denn für 20.000 Wohnungen braucht man natürlich auch Baugrund.
Das gilt auch für Industrieansiedlungen. Wir haben im Moment den Trend, das vieles, was bisher industriell genutzt wurde, heute vom Verwaltungs- oder Dienstleistungssektor genutzt wird. Da muss man sich überlegen, wie man dort durch entsprechende Veränderungen Möglichkeiten schaffen kann, dass produzierende Betriebe angesiedelt werden. Ich halte es für einen großen Denkfehler, zu meinen, das 75 Prozent Dienstleistungsanteil im internationalen Wettbewerb ein Vorteil wären, wie das Herr Weimar kürzlich gesagt hat. Ich glaube, diese Haltung ist mit ein Grund für die weltweite Wirtschaftskrise. Hartmann: Das eine ist, wenn man entsprechende Flächen hat, das man sich gezielt umschaut, was wir im Bereich Forschung nach Wiesbaden holen können. Was wiederum zusammenhängt mit der Universität: Wenn wir sagen, wir haben eine Universität mit Schwerpunkt Medizin, Chemie, Biochemie, Biophysik und Physik, den sogenannten Life-Sciences, dann kann man eben auch Firmen dieser Branchen gezielt nach Wiesbaden holen.
Ein anderer Aspekt ist die Weiterentwicklung im Transporttechnologie-Bereich. Der Transrapid hat eine sehr große Zukunft, Shanghai ist nur ein kleiner Anfang. Wenn so ein Konzept in ganz Eurasien realisiert würde, dann reden wir über 60.000 Kilometer - gigantische Investitionen, die auch ein entsprechendes Produktionsvolumen bedeuten, was dann sicherlich nicht nur in Kassel passieren kann. Und man muss an die Weiterentwicklung denken, zum Beispiel den Transrapid auch für den Frachtverkehr nutzbar zu machen. Hartmann: Solange wir in einer weltweiten Wirtschaftsdepression drin sind, ist es überall schwer, Arbeitsplätze zu schaffen. Einer der Schwerpunkte der Bürgerrechtsbewegung ist, daß wir ein komplett neues Weltfinanzsystem fordern, denn das alte ist bankrott. Wenn eine Vereinbarung getroffen würde, im Weltmaßstab ein neues Weltfinanzsystem zu schaffen, das befreit ist von den Altlasten, den Schulden der Dritten Welt und den Spekulationsschulden, die nicht mehr finanziert werden können, dann könnte man die Weltwirtschaft durch eine Art neuen Marshall-Plan mobilisieren. Die BüSo hat dazu Vorschläge mit der sogenannten eurasischen Landbrücke vorgelegt. Der Transrapid von Wiesbaden bis Peking ist nur ein Symbol für das Gesamtkonzept, das natürlich viel umfassender ist. Uns geht es wirklich darum, eine grundlegende Entwicklung in Ländern wie Kasachstan und Afghanistan zu ermöglichen, indem erst einmal die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden und indem man diese Projekte benutzt, um dort Arbeitsplätze zu qualifizieren. Aber dadurch schaffen wir auch Aufträge für unsere Wirtschaft, und wir schaffen langfristig solvente Kundschaft, nämlich Länder, die nicht von Entwicklungshilfe abhängig sind, sondern auf eigenen Füßen stehen können.
Das muss die Zielvorstellung sein und das, was wir in Deutschland wirtschaftspolitisch tun, das sollte aus unserer Sicht zumindest in so ein Gesamtkonzept hineinpassen und dem nicht widersprechen. Der Dreiklang U-Bahn, Universität und Wohnungsbau umfasst Projekte, die wir von der Stadt Wiesbaden aus in Gang setzen können, um hier die Arbeitslosigkeit zu vermindern. Man braucht eine Generalidee, welche Unternehmen man in die Stadt im Rahmen der Industrialisierung holen möchte. Hartmann: Das Leitbild sicherlich gut gemeint. Bisher sehe ich aber noch nicht, das es wirklich zielführend ist. Was ich bisher gesehen habe, das sind nur ein paar Schlagworte. Die sind nicht schlecht, aber insgesamt noch ziemlich schwammig. Aber es wird sich in der Praxis entscheiden, ob Wiesbaden eine attraktive Stadt ist. Wenn die Leute nach Wiesbaden hereinkommen und sie finden keinen Parkplatz, nützt die schönste Werbebroschüre nichts. Hartmann: Man muß im Großen an die Sache herangehen. Solange kein Gesamtkonzept da ist, hilft sich jeder selber. Man muss eine Strategie haben, mit der man dafür sorgt, das weniger Pendler mit dem Auto in die Stadt kommen. Das würde ich dadurch machen, dass ich Wohnraum schaffe, um die Menschen von vorneherein in Wiesbaden anzusiedeln. Wenn wir die Schnellbahnen ausbauen, kommt man ebenfalls schneller in die Innenstadt als mit dem Auto. Die Probleme würden sich relativieren, wenn es ein wirklich gut funktionierendes öffentliches Verkehrssystem gäbe. Dann würde sich sicherlich die eine oder andere Familie sagen: Sparen wir uns doch das zweite Auto und fahren lieber mit dem öffentlichen Nahverkehr. Das setzt große Investitionen voraus. Man muss die Voraussetzungen schaffen, dass die Menschen ohne Auto auskommen können. Hartmann: Die Kultur ist ein sehr wichtiger Bereich, aber wenn es um staatliche Eingriffe geht, auch ein sehr problematischer. Ein großer Teil der gesellschaftlichen Probleme, die wir heute haben, hat kulturelle Ursachen, etwa, dass die Idee des Gemeinwohls als Orientierungspunkt für die privaten Aktivitäten der einzelnen Bürger meist ganz aus dem Blickwinkel gefallen ist. Diese Haltung ist seit den 60er Jahren in unserer Gesellschaft sehr dominierend geworden.
Die Bereiche, die ich fördern würde, sind diejenigen, wo die Menschen selbst aktiv werden. Zum Beispiel Chorgesang, Laienorchester, Schulmusik, Gedichtrezitationen. Warum nicht versuchen, die Innenstädte attraktiver zu machen, indem man damit auf die Strasse geht und die Künstler zum Beispiel auf dem Dernschen Gelände oder auf dem Kranzplatz auftreten läßt.
Es müssen ja auch nicht immer nur ein, zwei große Veranstaltungen sein. Wenn die Leute im Umland wissen, das es auch kleinere Aktivitäten gibt, werden sie auch in die Stadt kommen. Ich denke, dass viele kleinere Festivitäten mehr bringen als wenige große. Außerdem müssen nicht alle Veranstaltungen abends stattfinden, warum nicht auch tagsüber? Denn wenn den Geschäften geholfen werden soll, müssten die Leute ein attraktives Angebot vorfinden, wenn die Geschäfte geöffnet haben. Hartmann: Ich bin 41 Jahre alt, seit 14 Jahren verheiratet, und arbeite in der Zeitungsredaktion der Neuen Solidarität. In meiner Freizeit bin ich politisch sehr engagiert. In der verbleibenden Zeit singe ich im Chor und rezitiere gerne Gedichte. Jede Woche lese ich ein Buch, darunter sehr viel über Geschichte, das habe ich auch mal studiert. Auch finde ich, dass man aus der Geschichte sehr vieles lernen kann für die politische Lage. Hartmann: Sie sollten eine Stimme für mich nicht als verloren betrachten, auch wenn ich die Wahl nicht gewinnen werde. Sie wird trotzdem bei den etablierten Parteien registriert als ein Signal, daß die Ideen der BüSo Zustimmung finden - und das kann helfen, den Kurs der Regierungsparteien zu verändern.


Zurück zur Politik-Hauptseite: