Oktober 2004:
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Frankfurt öffnet die Tür zur arabischen Welt

Logo der arabischen Welt Die Frankfurter Buchmesse, die in diesem Jahr der arabischen Kultur gewidmet war, vermittelte ein umfassendes Bild der kulturellen Leistungen der arabischen Welt - ein wirksames Gegengift gegen die Polemik des "Kampfes der Kulturen". Muriel Mirak-Weißbach berichtet.

Weit über eine Viertelmillion Menschen besuchten in diesem Jahr vom 6.-10. Oktober die Frankfurter Buchmesse, nicht zuletzt weil in diesem Jahr die arabische Welt "Ehrengast" der Messe war. Gewöhnlich wird ein einzelnes Land als Ehrengast ausgewählt, aber in diesem Jahr wollte man die arabische Kultur, vertreten durch die Arabische Liga, als Ganze ehren.

Der Präsident der Buchmesse, Volker Neumann, erklärte: "Die gegenwärtige Weltlage zeigt uns allen nur zu deutlich, wie wichtig es ist, alle Gelegenheiten zum Dialog zu nutzen. Es gibt kaum eine andere Institution auf der Welt, die ein besseres Forum für einen Dialog mit einer der vielfältigsten und kulturell reichsten Regionen der Erde bieten könnte, als die Buchmesse."

Neben den traditionell guten Beziehungen Deutschlands zur arabischen Welt sorgen die politischen Entwicklungen der letzten Zeit, vom Golfkrieg 1991 über den anhaltenden arabisch-israelischen Konflikt bis zum jüngsten Krieg gegen den Irak, für ein verstärktes Interesse an der arabischen Welt. Diese verheerenden Konflikte wecken bei vielen Europäern Besorgnis und auch Neugier, was sich denn in Wirklichkeit hinter dem "Feind" verbirgt. Da die Araber zum großen Teil - wenn auch keineswegs alle - Moslems sind, ist auch das Interesse am Islam gewachsen. Ist er wirklich das neue Feindbild, wie die Samuel Huntingtons dieser Welt verkünden?

Die diesjährige Buchmesse bot einen wahren Schatz an Informationen - sowohl in gedruckter Form mit den Büchern als auch durch viele persönliche Beiträge, die Fragen über die Araber und den Islam beantworteten. 200 Verlage stellten 10 000 Bücher in arabischer Sprache oder als Übersetzungen vor, und dazu gab es ein reichhaltiges Programm kultureller und politischer Veranstaltungen, die allesamt sehr gut besucht waren. Intellektuelle aus den 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga sprachen auf Diskussionsforen über Themen wie "Die arabische Zivilgesellschaft", "Frauen in der Politik", "Toleranz in der arabischen Kultur", "Die Rolle des Individuums im kreativen Prozeß" oder "Übersetzungsprobleme vom Arabischen ins Deutsche". Schließlich wurde eine reiche Auswahl an Filmen und Sonderausstellungen geboten.

Drei ungewöhnliche Ausstellungen

Höhepunkte der Buchmesse waren aus meiner Sicht drei Ausstellungen, die sich mit kaum bekannten Gesichtspunkten der arabischen Kultur befaßten und insofern besonderen Bildungswert hatten.

Die erste war die Ausstellung Wissenschaft und Technologie im Islam, die das Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften der Frankfurter Goethe-Universität organisiert hatte. Wie wir im Ausstellungskatalog erfahren, entwickelte sich die islamische Kultur ab dem 7. Jahrhundert mit einem unstillbaren Wissensdurst und dem Wunsch, sich das wissenschaftliche Erbe anderer Kulturkreise, namentlich der Griechen, anzueignen. Schon im 9. Jahrhundert machte die islamische Kultur dann, nachdem sie viele vergessene griechische und andere Werke durch arabische Übersetzungen (die dann wiederum ins Lateinische übersetzt wurden) wieder zugänglich gemacht hatte, in mehreren Bereichen der Wissenschaften auch wichtige eigene Entdeckungen und trug so zur Entwicklung der universellen Zivilisation bei.

Unter den Ausstellungsstücken befanden sich mehrere Weltkarten, darunter eine aus dem Jahr 833 (in einer 1340 aufgefundenen Kopie), die im Auftrag des Abassidenkalifen Al Mamun erstellt wurde und dem Weltbild des Ptolemäus bei weitem überlegen ist. Auch eine Karte aus dem Jahr 1154 von As Scharif Muhammad Ibn Muhammad Al Idrisi und andere zeigen die islamischen Vorläufer des Christoph Kolumbus, die von Portugal nach China segeln wollten. Zu den zahlreichen wissenschaftlichen Instrumenten, die ausgestellt wurden, gehörten ein Planetarium, Himmelsgloben, Armillarsphären zur Bestimmung der Koordinaten der Fixsterne, Doppelquadranten, ein Sonnen- und Mondkalender, Kompasse, Sonnenuhren und mechanische Uhren, eine umfangreiche Sammlung chirurgischer Instrumente sowie mehrere Geräte zur Wasserregulierung.

Die zweite Ausstellung Die arabische Kalligraphie zeigte wunderschöne Kalligraphien aus verschiedenen Epochen. Die arabische Kultur ist vor allem eine Sprachkultur; ihre Grundlage bildet das heilige Buch des Islam, der dem Propheten offenbarte Koran. Im Lauf der Jahrhunderte wurden immer wieder herrliche Gebäude - insbesondere natürlich Moscheen - mit Versen aus dem Koran ausgeschmückt, wozu man mehrere, deutlich unterscheidbare Schreibstile entwickelte. Auf diese Weise wurde das geschriebene Wort, wie die Verse aus dem Koran, selbst zum Kunstwerk, und die Kalligraphie erreichte einen Entwicklungsstand wie in kaum einer anderen Kultur. Parallel zur Buchmesse zeigte das Frankfurter Museum für angewandte Kunst die Ausstellung Geschriebene Welten: Arabische Kalligraphie und Literatur im Wandel der Zeit mit Beispielen aus dieser "Königin der islamischen Kunst" aus religiösen, weltlichen und wissenschaftlichen Texten.

Die dritte Sonderausstellung behandelte Die Bibliothek von Alexandria - ihre Handschriften und ihr Beitrag zur arabischen Kultur im Informationszeitalter. Hier konnte das interessierte Publikum mit Hilfe zahlreicher Computer die Leistungen der berühmten Bibliothek von Alexandria bewundern. Die Bibliothek wurde vor wenigen Jahren im Königsviertel der Stadt an der Stelle wiederaufgebaut, wo man den ursprünglichen Standort vermutet - aber nicht nur, um an dieses alte Weltzentrum der Gelehrsamkeit zu erinnern, sondern auch als Ort, wo man die Kenntnisse der modernen Welt sammelt. Neben den Computerpräsentationen wurden auch schöne Neuausgaben klassischer wissenschaftlicher Werke ausgestellt.

Die wunderbaren Sammlungen von Büchern, Kunstschätzen und wissenschaftlichen Instrumenten, die zur Buchmesse zusammengetragen wurden, boten dem Besucher ein eindrucksvolles Bild der Geschichte der arabischen und islamischen Kultur und weckten den Wunsch, in einen aktiven Dialog mit ihr zu treten. In einer Zeit, in der die Prediger des "Kampfs der Kulturen" das Bild dieser Kultur verzerren und sie zerstören wollen, ist die politische Wirkung der Buchmesse nicht zu unterschätzen, und das ist nur zu begrüßen.


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