April 2002:
Pfad:> Partei BüSo> BüSo Hessen> Kultur> Archiv


Nach Erfurt: Internationales Verbot von Gewaltspielen!

Blumen mahnen gegen Gewalt Die "neue Gewalt", wie sie bei dem Massaker in Erfurt zutage trat, ist ein Phänomen, das die menschliche Zivilisation genauso bedroht wie der Ausbruch einer neuen weltweiten Epidemie. Ein internationales Verbot gewaltverherrlichender Medienprodukte und die Rückkehr zu einer Bildungs- und Erziehungspolitik, die auf dem christlich-humanistischen Menschenbild basiert, sind dringlichst geboten.

Nach der Horrortat des neunzehnjährigen Robert Steinhäuser kann es nur eine verantwortliche Reaktion geben: Deutschland muß sich für ein internationales Protokoll der Vereinten Nationen einsetzen, das die Produktion und den Vertrieb von gewaltverherrlichenden Filmen, Computerspielen und Videos weltweit verbietet und ächtet. Denn bei der "Neuen Gewalt", die in den Morden von Erfurt zum Ausdruck kam, handelt es sich keinesfalls um einen "soziologischen Unfall" oder ein "singuläres Ereignis", sondern um ein weltweites Phänomen, das die menschliche Zivilisation ebenso bedroht wie der Ausbruch einer neuen lebensbedrohlichen Epidemie.

Auch wenn die Diskussion um die Hintergründe der Tat in Deutschland wesentlich ehrlicher und kompetenter geführt wird als etwa in den USA nach dem Massaker an der Columbine High School von Littleton - immerhin weist eine ganze Reihe von Psychologen und Pädagogen auf den direkten Zusammenhang zwischen realer Gewalt und gewaltverherrlichenden Filmen und Computerspielen hin, und viele verlangen auch richtigerweise ein Verbot dieser Produkte - sie reicht trotzdem nicht aus. Denn nur wenn wir die Natur dieser "Neuen Gewalt" wirklich verstehen, können wir unsere Gesellschaft und unsere Kinder wirksam davor schützen.

Das Argument, daß diese Art von Horror-Filmen und Killer-Computerspielen nur bei ohnehin gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu Gewalttaten führe, während die Mehrheit der "normalen" Jugendlichen diese Medienprodukte ohne Schaden konsumieren könnten, ist im besten Falle Selbstbetrug. Denn - und wir werden darüber noch einiges mehr berichten - diese Computerspiele wurden ursprünglich für die Ausbildung im Bereich militärischer Spezialeinheiten entwickelt. Zweck dieser Spiele war es, die natürliche Hemmschwelle der Rekruten, den Gegner im Kampf zu töten, herabzusetzen. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß im Zweiten Weltkrieg und im Korea-Krieg nur rund 15% aller Soldaten bereit waren, die Waffe mit Tötungsabsicht auf den Gegner zu richten. Durch das Training mit Computerspielen, das ständig wiederholte Schießen auf virtuelle Gegner, soll das Töten gewissermaßen zur Routine werden, ohne daß lästige moralische Skrupel dazwischen treten.

Wenn diese Desensibilisierung bei Militär und Polizei funktioniert - man erinnere sich z.B. an den berüchtigten "Diallo-Fall" in New York, bei dem Polizisten 41 Kugeln auf einen unbewaffneten Afrikaner abfeuerten - , warum sollen diese Spiele dann bei Kinder und Jugendlichen, die so viel mehr beeindruckbar sind als Erwachsene, nicht den gleichen Effekt haben? Die unschöne Realität besteht darin, daß selbst ein Verbot des Verkaufs solcher satanischen Computerspiele den Schaden nicht repariert, der bereits entstanden ist. Wir müssen fragen, was hat einen beachtlichen Teil unserer Gesellschaft dazu gebracht, die immer größere Perversion der Gewalt bei sogenannten "Action movies", wie Terminator, dem Lieblingsfilm von Robert Steinhäuser und Spielen wie "Doom", "Quake" etc. zu tolerieren? Was ist falsch an den Axiomen des Bewußtseins des Teils der Erwachsenen unserer Gesellschaft, die erst jetzt, wenn überhaupt, merken, daß diese Produkte bestialisch sind, und einen bestialischen Effekt erzielen?

Das Konzept, Soldaten zu willenlosen Befehlsempfängern und bereitwilligen Tötungsmaschinen zu manipulieren, entstammt der utopisch-militärischen Doktrin etwa eines Samuel Huntington, wie er es in seinem Buch The Soldier and the State entwickelt. Im Gegensatz zur Tradition von Lazare Carnot und Scharnhorst, die das Konzept des Bürgersoldaten entwickelten, bei dem vor allem der Offizier Vorbildcharakter und einen besonders ausgebildeten Sinn für das Gemeinwohl haben, sowie selber mitdenken und zur Auftragstaktik fähig sein sollte, propagiert Huntington die Vorstellung des Soldaten, der nie mitdenkt, der sich nie in die Politik einmischt, und eines Militärs, das hermetisch von der "chaotischen" zivilen Gesellschaft abgeschottet ist. Huntingtons Konzept ist nicht neu, wir finden es schon bei den Legionen des Römischen Reiches.

Schon 1972 warnte der US-Gesundheitsminister, es bestehe kein Zweifel an dem Zusammenhang von Gewalt und Gewalt in den Medien. Die US-Medical Association warnte kurz darauf, daß die Mediengewalt die größte Gesundheitsbedrohung (Health care emergency) in den USA darstelle. Das wurde vor 30 Jahren festgestellt! Doch offenbar war niemand willens, sich mit Hollywood und den Produzenten der Computerspiele anzulegen. Aus diesem Grund kann man amerikanische High Schools heute nur durch Metalldetektoren betreten, und an jeder Schule sind man bewaffnete Polizisten. In amerikanischen Städten wie Washington finden pro Tag durchschnittlich drei bis vier Morde statt, ein großer Teil davon wird von Jugendlichen bei sogenannten "random shootings" begangen, d.h. Schießereien, bei denen der oder die Täter die Opfer gar nicht kennen.

Wenn man die Entwicklung der letzten 30 Jahre in den USA betrachtet, dann wird deutlich, daß die Verantwortung für das Phänomen Jugendgewalt bei jenen Vertretern des Militärs und gewählten Politikern liegt, die trotz vorliegender Beweise von medizinischen und psychologischen Experten und der empirischen Erfahrung einer großenteils desensibilisierten Jugend, nichts getan haben, um diese gefährliche Fehlentwicklung einzudämmen. Im Gegenteil, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Entwicklung sogar beabsichtigt war. Denn wer soll denn weltweit militärische Operationen imperialistischer Ausrichtung durchführen, wenn nicht emotional unreife, aber tötungsbereiten Söldnersoldaten?

Mit der Schreckenstat von Erfurt sind in Deutschland amerikanische Verhältnisse eingekehrt. Nur sechs Tage danach randalierten "unpolitische" Jugendliche in Berlin, darunter dreizehnjährige Mädchen, die mit Steinen auf Polizisten warfen. Wenn Herr Wowereit bei 180 verletzten Polizisten von einer erfolgreichen Strategie spricht, dann soll er doch das nächste Mal bei diesen Einsätzen mitmachen. Es besteht kein Zweifel, das Phänomen der "Neuen Gewalt" - also einer Gewalt, die ihre Ursachen nicht oder nicht ausschließlich in der kriminellen Energie von Einzeltätern hat, sondern durch eine gesellschaftlich tolerierte Mediengewalt kultiviert wird - ist auch in Deutschland ein massives Problem.

Bekanntermaßen hat sich die Seuche von gewaltverherrlichenden Horrorfilmen und Comuterspielen auf der ganzen Welt ausgebreitet. Es ist leider auch unübersehbar, daß es bei einem Großteil der Konsumenten dieser Medienprodukte zu einer gefährlichen seelischen Verwahrlosung gekommen ist. Wer dies bestreitet, dem geht es offensichtlich so wie dem Drogenabhängigen, der behauptet, sein Drogenkonsum wirke sich nicht negativ auf sein Denkvermögen aus - er kann sich eben nicht mehr an die Gehirnzellen erinnern, die er bereits verloren hat.

Das Verbot von Gewaltvideos sowie gewaltverherrlichenden Filmen und Computerspielen und die Mitarbeit der Verantwortlichen bei den Medien sind richtig und notwendig. Aber sie reichen nicht aus, um den Zugang über das Internet oder das Ausland zu verhindern, oder den Effekt der Produkte rückgängig zu machen, die bereits unter den Jugendlichen und in der Bevölkerung zirkulieren. Wenn verstanden wird, daß es sich bei der Tragödie von Erfurt eben nicht um ein singuläres, wohl aber um das bisher schrecklichste Ereignis handelt, sondern daß die Neue Gewalt die menschliche Zivilisation wie ein globaler Ausbruch von Kannibalismus bedroht, dann ist auch klar, daß wir auf eine viel fundamentalere Weise reagieren müssen.

Deutschland soll deshalb bei den Vereinten Nationen ein internationales Protokoll für das Verbot und die Ächtung dieser gewaltverherrlichenden Medienprodukte vorschlagen.

Und den schon vorhandenen Schaden in unserem Land können wir nur beheben, wenn wir sofort zu einer Bildungs- und Erziehungspolitik zurückkehren, die auf dem christlich-humanistischen Menschenbild in der Tradition von Wilhelm von Humboldt basiert. Nur so können wir unseren Kindern und Jugendlichen die seelische Stärke geben, die sie von alleine bestialische Konzeptionen ablehnen läßt.



Zurück zur Kultur-Hauptseite: