Mai 2002: |
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Das Bild hat tatsächlich den Titel Der Kaufvertrag und stellt einen Bauern dar, der durch die Gier von drei Advokaten über den Tisch gezogen wird.
Ich will Ihnen nämlich meinen Lieblingssender vorstellen: Bloomberg TV. Das ist ein relativ neuer Sender, der 24 Stunden am Tag nur über eines berichtet: über die Börse. Morgens Tokio, mittags Frankfurt, abends Amerika. Ich kann Ihnen nur raten: Wenn Sie einmal schlecht gelaunt sind und eine Aufheiterung brauchen, dann ist Bloomberg TV genau das Richtige für Sie! Da gibt es immer was zu lachen, wenn auch sicherlich nicht immer vom Sender beabsichtigt. Manchmal lachen vielleicht auch nur die Hühner.
Wenn beispielsweise die Börse 18 Tage hintereinander gefallen ist und dann am 19. Tag wieder steigt, werden so köstliche Kommentare losgelassen wie: "Viele Anleger sind noch unsicher, ob das schon der Beginn des von vielen Seiten vorhergesagten Aufschwungs ist." Gacker, gacker! Oder die Mitarbeiter des Senders fragen Spezialisten, Fachleute oder Experten ohne rot zu werden oder in schallen des Gelächter auszubrechen: "Wo sehen Sie noch Möglichkeiten, im New-Economy-Bereich sinnvoll zu investieren?" Gacker, gacker!
Die Spezialisten, Fachleute oder Experten sind in der Regel irgendwelche Jüngelchen von "Köln-Nippes-Global-Invest" und dergleichen, in einen schlechtsitzenden Anzug gesteckt und
mit einem modischen Schlips schön fest zugebunden, damit das Gehirn
nicht zu stark durchblutet wird. Wer sonst zu nichts zu gebrauchen ist,
muß eben versuchen, von anderer Leute Geld zu leben. Und einige von
ihnen haben sogar einen Doktortitel!
Der Doktorvater muß dann eines jener Wirtschaftsprofessörchen gewesen sein, die regelmäßig nach ein, zwei Jahren in letzter Zeit maximal einem Vierteljahr zugeben müssen, daß ihre Vorhersagen leider völlig falsch waren. Pech für die, die Ihnen geglaubt hatten.
Genauso war es Pech für Millionen Amerikaner, die die Propaganda von
Bloomberg TV, Wall Street Journal etc. ernst nahmen und ihre Spargroschen an der Börse verspielten. Manche Leute müssen es eben "auf die harte Tour lernen", wie die Amis sagen. Und manche scheinen es nie zu lernen. So haben beispielsweise vor wenigen Monaten die New Yorker Mister Michael Bloomberg persönlich zu ihrem Bürgermeister gewählt. Dabei möchte ich nicht wissen, wieviel allein die New Yorker verloren haben, weil sie auf die Börsenpropaganda von Bloomberg & Co. hereinfielen...
Aber selbst wenn Ihnen das Geschwätz der Moderatoren und Anlageberater auf die Nerven geht und Sie nicht mehr aufheitern kann, können Sie bei Bloomberg auch mit ganz einfachen Rechenaufgaben Spaß haben!
Man sieht an den Rändern des Bildschirms nämlich ständig Laufbänder
mit den neuesten Kursentwicklungen.
Man sieht den Stand der Tee-Aktie und sagt erleichtert zu seiner Frau: "Schau mal, Elfriede, wieviel wir wieder gespart haben, bloß weil wir damals die Aktie nicht gekauft haben!"
Oder man studiert die "Gewinner des Tages". Das ist dann beispielsweise
"Schnabelewopski-Breitband.Com", Tagessieger am Neuen Markt mit 14%
Kursgewinn. 14% Gewinn an einem einzigen Tag, sagenhaft! Und jetzt dazu die Rechenaufgabe: Wenn der Kurs von "Schnabelewopski-Breitband.Com" jetzt bei 67,5 Cent je Aktie steht, wieviel war es dann gestern, vor
dem 14%-Gewinn? Und weitere Rechenaufgaben : Wenn der Ausgabepreis der Aktie von "Schnabelewopski-Breitband.Com" 15 Euro betrug, um wieviel verringert sich der Verlust gegenüber diesen 15 Euro durch den Anstieg auf 67,5 Cent? Liegt "Schnabelewopski-Breitband.Com" jetzt nur noch 98% unter dem Höchststand aus manischen Neumarktzeiten, oder sind
es immer noch 99%? Gacker, gacker!
Man fühlt sich an den General erinnert, der nach einem Haufen verlorener Schlachten im Sandkasten seine längst aufgeriebenen Armeen hin und her schiebt, in dem Wahn, vielleicht doch noch siegen zu können. Manchmal ist ein Eingeständnis der Niederlage und ehrenwerter Neuanfang besser, Herr General!
Immerhin hat auch so das Schlechte noch sein Gutes. Sicherlich hätten es mehr Leute ernst nehmen sollen, als Lyndon LaRouche und die Neue Solidarität in den Jahren 1996-2000 warnten, der Rummel um die Börse und New Economy sei der größte Schwindel des Jahrhunderts. Aber nachdem die Leute es "auf die Harte Tour lernten", haben wir jetzt wenigstens einen Fernrsehsender mit lustigen Kommentaren und Rechenaufgaben!
Es grüßt Ihr Eulenspiegel
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