Mai 2003:
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Hier wird zuviel kaputtgeredet...

Transrapid in Schanghai
Wer nicht hören will, muß fühlen: In den letzen Jahrzehnten wurde dem Deutschen Michel Nullwachstum als ein Allheilmittel angepriesen. Warnungen wurden als unbequem überhört.
Nun haben wir Nullwachstum - und bekommen die Quittung vorgelegt, wenn wir nicht ziemlich schnell das Ruder noch herumwerfen und hier ein Investitionsprogramm beginnen, wie es in China läuft.

Im Bild der Transrapid vor der Silhouette von Schanghai

Das folgende Interview mit dem Betriebsrat von ThyssenKrupp ExperSite, Jochen Reiss, führte Renate Leffek vom Bundesvorstand der BüSo

Reiss: Henschel war eine alte eigenständige Firma, wurde dann von Thyssen übernommen. Henschel hatte zwei Schwerpunkte, der Lockbau und die Wehrtechnik, diese beiden Bereiche sind abgegeben worden. Und was früher Randbereiche in dem Betrieb waren, sind jetzt zu Kerngeschäften bei Henschel geworden. Man hatte ein Industriepark-Konzept entwickelt, indem jetzt alle Firmen eigenständige GmbHs geworden sind. Der Lockbau hieß ABB-Henschel, dann ist es Atrans geworden, mittlerweile ist es Bombadier. Die restlichen Bereiche, die übriggeblieben sind, ist die Industrietechnik, der Bereich von HRT, die Recycling Technik. Reiss: Transrapid ist der einzige Bereich, der bei ThyssenKrupp Technologies noch als GmbH geführt wird, weil das ein separates Projekt ist. Reiss: China hat da einen großen Schub gegeben, man hatte gedacht, daß dieser Schub auch in Deutschland fortgesetzt wird. Es ist auch alles positiv angenommen worden, aber es gibt keine Entscheidung für eine deutsche Strecke. Hier in Deutschland wird der Entscheidungsprozess sehr langsam herbeigeführt und es müsste für den Standort dringendst eine Lösung gefunden werden. Reiss: Nein, wir haben alle im Januar gedacht, daß eine neue Entscheidung für Deutschland kommt, z.B. der Metrorapid für NRW, aber es zeichnet sich schon ab, daß Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren von der Landesregierung NRW noch über ein Jahr dauern wird. Dabei wäre es die Chance für die Rhein-Ruhr-Metropole mit einer Einwohnerdichte von 19 Mio. gewesen, um das Verkehrschaos zu lösen und 34 Mio. Menschen im Jahr mit dem Metrorapid zu befördern. Dieses Gebiet braucht einfach neue Verkehrsinfrastrukturen. Reiss: Dann werden wir in eine Lage kommen, wo die Arbeit zurückgefahren werden muss, wie auch immer das dann aussieht. Reiss: Es gibt mehrere Interessenten, Holland hat Interesse, USA auch, wie in der Presse zu lesen war, aber solange keine Strecke in Deutschland existiert, wird das Produkt auch keiner kaufen; eher wird die Technologie komplett verkauft... Reiss: China macht das ja schon, selbst wenn noch weitere Strecken kommen, wird hier wenig Arbeit geschaffen, sie werden das im wesentlichen in Eigeninitiative machen. Das haben sie ja bisher in ihrer wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung, besonders in der 14 Millionen Stadt Shanghai, gezeigt. Man muß sich das einmal vorstellen, daß in China die erste kommerzielle Anwendung des Transrapid, die Verkehrstechnik des 21. Jahrhundert, entstanden ist. Dieser Transrapid wurde in China, aber auch hier bei uns in der Produktion, in einer rekordmäßigen Zeit fertiggestellt und das mit vier Schichten pro Tag, rund um die Uhr, ohne Sonntag und Feiertag, das kennt man sonst in Deutschland nicht. Reiss: Ich denke der Transrapid hat einen gewissen Anteil an Befürwortern, wird natürlich auch als Konkurrenz gegenüber anderen Verkehrsmitteln gesehen. Das schlimme ist, daß meistens erst immer Katastrophen passieren müssen, um zu sehen, daß etwas geändert werden muß. Das Rad-Schiene-System - Henschel hat ja Lokomotiven gebaut - dieser Bereich ist mit dreihundert Kilometern Geschwindigkeit abgedeckt, was darüber hinausgeht, ist normalerweise für eine Rad-Schienen-Verbindung nicht mehr tragbar. Auch die Franzosen mit ihren Hochgeschwindigkeitszügen über 300 km, sind eine brenzlige Geschichte und wenn "etwas passiert", weil das System ausgereizt ist, gibt es immer wieder Katastrophen. Der Transrapid hat für diesen Bereich, ich meine für 400 km Geschwindigkeit, keine Probleme, weil er die Gleise oder den Fahrweg umklammert und wenn jemand einen Träger abbaut, kann nicht viel passieren. Anders wie es in Eschede zu sehen war. Auch die Vorteile gegenüber dem Luftverkehr innerhalb Deutschlands, sind nicht zu übersehen, da man mit dem Flugzeug einen viel größeren Zeitaufwand braucht, der beim Transrapid wegfallen würde. Reiss: Wenn man es pro Kilometer Strecke rechnet ist es wesentlich günstiger. Bei der Strecke Frankfurt-Köln sind die Kosten ja am Ende doppelt so hoch gewesen wie angesetzt, was zum größten Teil durch die Schwierigkeiten bei den Tunnelbauten lag. Mit dem Transrapid hat man ja ganz andere Möglichkeiten, da er sich ja an dem Gelände, den Steigungen z.B. mit Trägern bis zu 30 Metern hoch, anpassen kann. Brücken- und Tunnelbau wäre gar nicht nötig, damit haben wir viel weniger Flächenverlust. Auch der Ökologische Aspekt spielt eine große Rolle, da die Träger hochgebaut werden, können Tiere nicht zu schaden kommen und der Landwirt kann mit dem Mähdrescher unter den Trassen fahren. Wenn ich dann höre, daß ein Tunnel 50 Millionen kostet und ich weiß, daß ich mit dem Transrapid um den Berg, oder über den Berg fahren könnte und damit -zig Millionen sparen könnte, gibt es eigentlich keine wirtschaftlichere Alternative dazu. Reiss: Das wäre kein Problem, man könnte ihn parallel zur Autobahn bauen. Es gab ja schon Ideen ihn auf dem Mittelstreifen fahren zu lassen, es reicht ihm ja als Fahrweg, er braucht ja nur eine einspurige Verbindung. Für Europa wäre das eine ganz tolle Lösung. Reiss: China ist natürlich eine ganz andere Kultur, sie denken anders und haben eine andere Einstellung zum Leben. Reiss: Ja, dort fehlt eben viel Infrastruktur und sie haben das Bedürfnis diese Situation zu verbessern. Und dann kommt die Frage auf: Setzt man eine neue Technologie ein, oder greift wieder auf das ältere System Rad Schiene zurück. Wenn man nach England schaut - die das Verkehrssystem auch privatisiert haben, stellt man fest, daß mit dem alten System viele Unglücke passiert sind. Reiss: Früher gab es die Schwellengänger, die auf die Sicherheit geachtet haben, heute heißt es, bei unserer Technik brauchen wir das nicht mehr, dementsprechend passieren halt mehr Unglücke. Reiss: Das würde ich jetzt anders sehen! Gerade die Kurzstrecken rentieren sich sehr, und zwar weil der Transrapid schnell beschleunigt im Gegensatz zu den anderen Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnen. Ich bin vor zwei Jahren vom Münchener Flughafen geflogen, da ist man eine ganze Stunde zum Flughafen unterwegs. Vielleicht erlebe ich es noch einmal, daß ich mit dem Transrapid dahin fahren kann. Man stelle sich vor, man bräuchte nur 7 Minuten und wäre da. So etwas kann man sich nicht vorstellen, sondern man muss es erleben.
Warum der Transrapid sich auch auf Kurzstrecken rentiert, liegt daran, daß er eine Geschwindigkeit von 300 km/h nach einer Strecke von fünf Kilometern erreicht. Andere Bahnen, auch der ICE, benötigen dafür mehr als 30 km und mindestens die vierfache Zeit. Deshalb lohnt sich die Magnetschnellbahn nicht nur für die großen Distanzen, sondern gerade auch auf kurzen und mittleren Strecken. Gerade in dichtbesiedelten Regionen mit kürzeren Haltepunktabständen kann sie hervorragend eingesetzt werden.
Aber auch für Europa hätten wir ausgezeichnete Anwendungsstrecken, um die Gebiete infrastrukturell zu erschließen. Reiss: Die Kollegen denken, daß es schade ist, daß ein Produkt was langfristig entwickelt wurde und auch funktioniert, keine Anwendung findet. Wenn wir uns ins Mittelalter zurückdenken würden und vor der gleichen Situation stehen würden, glaube ich, daß wir das Rad nie erfunden hätten. Reiss: Das wäre kaputtgeredet worden. Egal was Sie heute in der Welt machen, es werden immer Kompromisse gemacht. Aber es kann auch anders gehen, wenn man z.B. an den Airbus denkt, der erst subventioniert wurde, aber dann ein großer Verkaufschlager geworden ist und was ist mit unserem Transrapid? Der Entscheidungsprozess war in Frankreich ganz anders, es war ein nationales Prestigeprojekt, das wurde beschlossen und dann produziert. Reiss: Es gibt eine Menge Befürworter, aber auch eine Menge Gegenstimmen. Das ist bei uns ein Phänomen; immer wenn etwas Neues entwickelt wird, wird es erst einmal kaputtgeredet. Es sind auch immer dieselben Argumente. Als das Projekt Berlin-Hamburg gestorben war, mußten Entlassungen durchgeführt werden, aber dann kam plötzlich ein Land wie China und sagt: Wir wollen den Transrapid. Das erste woran ich dachte war: "Wie soll denn so ein Transrapid-Bahnhof aussehen, mit vielen Fahrradständern und daneben fährt der Transrapid?"

Und hier bei uns setzt man diese tolle Technologie nicht ein, wir kriegen es einfach nicht hin, noch nicht einmal als Nahverkehrsmittel, oder man hätte Berlin, Hamburg Amsterdam und weiter nach Paris runtergebaut, das wäre auch eine gute Ost-West Verbindung.

Reiss: Wir sind hier mit jedem Projekt zufrieden was überhaupt kommt, denn wenn immer die Diskussionen über Projekte für andere Länder aufkommt, wird die Frage gestellt: "Ja, Leute wo habt ihr den Transrapid in Deutschland?" Deshalb wären wir schon mit einem kleinen Bereich zufrieden. Vom politischen Standpunkt würde ich sagen, daß der Flughafen Berlin zur Hauptstadt mit dem Transrapid ausgerüstet wird und jeder der in die Hauptstadt kommt, fährt Transrapid. Reiss: Eigentlich sollten wir sagen: "Wir in Deutschland können das auch". Für den Standort Kassel ist es natürlich der Dreh- und Angelpunkt geworden, weil es der letzte Bereich von Thyssen ist. Wir brauchen hier eine Fertigung und in der Zeit wo wir für China den Transrapid gefertigt haben, war das natürlich unsere Hauptarbeit. Es war richtig schön anzuschauen, wenn die Straßenbahnen mit vielen Menschen hier ankamen, um hier zu arbeiten, das war Vollbeschäftigung.


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