April 2003: |
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Doch dann kam die BüSo mit ihrem Kandidaten Alexander Hartmann, und der sprach von ganz anderen Dingen: Das Weltfinanzsystem sei bankrott, man brauche ein Neues Bretton Woods. Damit könne auch Amerika zu einer friedlichen Politik veranlaßt werden. Man müsse groß denken, um große Probleme lösen zu können - Eurasien brauche ein Transrapidnetz, Wiesbaden eine U-Bahn, eine Universität und 20000 neue Wohnungen, um die jungen Familien in der Stadt zu halten und der Überalterung der Stadt entgegenzuwirken.
Mit anderen Worten: Die Realität drohte in die Debatte Einzug zu halten. Und zunächst reagierte das lokale "Establishment" mit Realitätsverweigerung: Beide Lokalzeitungen vermieden es, über das Programm des BüSo-Kandidaten zu berichten, und natürlich organisierte man auch die "Debatten" zwischen den Oberbürgermeisterkandidaten unter Ausschluß der BüSo. Als sich der Kurier schließlich gezwungen sah, den BüSo-Kandidaten vorzustellen, verdrehte er die Vorschläge der BüSo, um die Ideen der "Politsekte" ins Lächerliche zu ziehen. Aber wieder hatten die Lokalmatadoren die Rechnung ohne die BüSo gemacht.
"Ihr seid ja wirklich überall!"
Denn am 27. April begann eine Aktionswoche der internationalen LaRouche-Jugend, die schon innerhalb weniger Tage das Stadtgespräch Nummer Eins war. Rund 30 junge Leute aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Frankreich, Venezuela, Kamerun und den USA sowie aus Dresden, Berlin, Hamburg, Hannover, Düsseldorf, München und dem Rhein-Main-Gebiet versammelten sich in Wiesbaden, um zu lernen und zu diskutieren, aber auch, um die LaRouche-Bewegung und ihre Ideen bekannt zu machen.
Die Aktionswoche begann mit einem Tagesseminar. Nach einem politischen Lagebericht der Bundesvorsitzenden der BüSo, Helga Zepp-LaRouche, wurden verschiedene Vorträge gehalten: über Benjamin Franklins Verbindungen in Europa vor der amerikanischen Revolution, über Bachs Matthäus-Passion, über die Revolution der Kriegsführung durch Vauban, Carnot, Graf Schaumburg-Lippe und Scharnhorst, über die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Kreisumfang und -radius nach Nikolaus von Kues, über die weltweite Wirtschafts- und Finanzlage sowie über die Geschichte der Stadt Wiesbaden und die strategische Bedeutung der Intervention der LaRouche-Jugend in den Oberbürgermeisterwahlkampf. Die sich jeweils daran anschließenden intensiven Debatten dauerten bis nach Mitternacht. An den weiteren Abenden der Woche erhielten die jungen Leute Gesangsunterricht und hörten Vorträge über Benjamin Franklins Jugendbewegung und die geistigen Väter des Leo Strauss.
Der nächste Tag begann mit einem Paukenschlag. Schon lange ärgern sich zahlreiche Bürger und Organisationen über die arrogante Haltung des Wiesbadener Kurier, der die Bevölkerung offenbar nicht für mündig genug hält, sich aus objektiven Informationen - z.B. über Forderungen der Gewerkschaften oder das Programm der BüSo - ein eigenes Urteil zu bilden, und sich immer wieder erlaubt, die jeweiligen Positionen nach Gutdünken grob entstellt oder gar nicht wiederzugeben. Nun wagte es endlich einmal eine der betroffenen Gruppen, gegen diese Bevormundung öffentlich zu protestieren.
Vom späten Vormittag bis nachmittags um vier Uhr versammelten sich rund 25 Aktive direkt vor dem Pressehaus in der Wiesbadener Fußgängerzone, um über den Zusammenhang zwischen der Irakkrise, dem von der Kriegspartei gewünschten und von gewissen Massenmedien betriebenen "Regimewechsel" in Deutschland, LaRouches Führungsrolle im Widerstand gegen die Kriegspartei und dem Verhalten des Kurier gegenüber LaRouches Mitstreitern in Europa zu informieren.
Aber nicht nur hier trat die LaRouche-Jugend in Aktion: Eine zweite Kundgebung fand am Wiesbadener Rathaus statt. Auch am Dienstag und Mittwoch versammelten sich die jungen Leute jeweils an zwei verschiedenen Orten in der Wiesbadener Innenstadt - an beiden Enden der Fußgängerzone, auf dem belebten Mauritiusplatz, und am Hauptbahnhof. Weitere Aktive verteilten Flugblätter vor dem Berufsschulzentrum und der Fachhochschule und in einigen Stadtteilen.
Passanten wurden angesprochen, mit Hunderten diskutiert, Tausende von Flugblättern verteilt, Lieder gesungen und über Lautsprecher Erklärungen zur Weltlage abgegeben. Viele werden sich gedacht haben, was ein Passant offen aussprach: "Ihr seid ja wirklich überall!" Schon am Mittwoch waren die LaRouche-Jugend und ihr Oberbürgermeisterkandidat Alexander Hartmann das Stadtgespräch: Überall wurde über die Partei geredet, die nicht nur den Transrapid von Wiesbaden bis Shanghai, sondern auch eine U-Bahn und eine Universität für Wiesbaden errichten will.
"Ihr seid für unsere Zukunft verantwortlich!"
Aber die Vertreter der etablierten Parteien, der Medien und der Kirchen, die sich bemühten, die Ideen der BüSo aus der Diskussion fernzuhalten, wurden auch persönlich zur Rede gestellt. Schon in der Vorwoche war es bei einer Debatte der drei anderen Kandidaten, die der Wiesbadener Kurier veranstaltet hatte, zum Eklat gekommen, als einer der Gäste eine Frage an den anwesenden Kandidaten der BüSo richtete. Der Moderator der Veranstaltung ließ Alexander Hartmann jedoch nicht zu Wort kommen, mit der Begründung, die BüSo sei ja nur "eine Splitterpartei" und ihr Kandidat habe ja ohnehin keine Chance, die Wahl zu gewinnen, was vom Publikum mit heftigen Unmutsäußerungen - nicht nur von Seiten der anwesenden BüSo-Mitglieder - quittiert wurde und erst recht Interesse für die Ideen der BüSo erregte.
Am Montagabend veranstaltete dann das Wiesbadener Tagblatt eine Talkshow mit den beiden Spitzenkandidaten, die vom HR aufgenommen wurde. Das Filmteam des HR hatte jedoch schon vorher zu tun, denn draußen vor dem Saal demonstrierten rund 30 Aktive der LaRouche-Jugend und der BüSo gegen die Medienblockade. Sie hatten ihre Freude an Sprechchören wie "Eins, zwei, drei, vier, wozu lest Ihr den Kurier? Fünf, sechs, sieben, acht, erzählt Euch Märchen für die Nacht!" und Gesang ("Nein zur Sparbarei!", nach der Melodie von "We shall overcome"), und der Forderung des OB-Kandidaten Hartmann, Wiesbaden brauche endlich auch eine respektable Lokalzeitung.
Später, als das Publikum endlich Fragen an die Kandidaten stellen durfte, lautete die erste Frage an die Kandidaten auf dem Podium: "Wie können Sie es mit Ihrem Gewissen verantworten, an einer so offensichtlich manipulierten Debatte teilzunehmen?" Auch hier ließ der Moderator die Maske fallen, unterbrach den Fragesteller und erklärte, man habe sich eben entschlossen, über die BüSo nichts zu berichten. Als die anwesenden Hartmann-Unterstützer hiergegen protestierten, wurden sie des Saales verwiesen und verabschiedeten sich vom Publikum mit dem Spiritual "Oh, Freedom!".
Am Mittwochabend veranstalteten dann die Stadtdekane der beiden Kirchen eine Debatte mit "den drei Kandidaten". Nach der Vorstellung der Teilnehmer erhob sich ein junger Mann und zitierte das Bibelwort "Was Du dem Geringsten antust, das hast Du mir getan". Er fragte, warum der vierte Kandidat nicht auf dem Podium sei? Der Moderator antwortete, die beiden Kirchen seien sich einig, daß man der BüSo kein Forum bieten wolle. Da erhob sich eine Dame und fragte "Aber warum denn nicht? Sie haben die Frage nicht beantwortet!", was die Herren auf dem Podium sichtlich in Verlegenheit brachte.
Als deutlich wurde, daß man ihrer Forderung nicht nachgeben würde, erhob sich ein Viertel des Publikums, und sang: "Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten..." Dann erklärte eine junge Teilnehmerin dem sprachlosen Podium: "Ihr habt unseren Kandidaten ausgeschlossen. Aber das heißt auch, daß ihr die Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen müßt! Was tut ihr für unsere Zukunft? Ist euch die Jugend denn egal?" Da die Herren Bürgermeisterkandidaten hierauf keine Antwort hatten, zog die LaRouche-Jugend ab und überließ das teilweise verärgerte und verwirrte, aber zum anderen Teil auch nachdenklich gewordene, Publikum sich selbst.
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