Juni 2002: |
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In dieser extrem gespannten Lage brachte nun Amelia Boynton Robinson, die berühmte Veteranin des Bürgerrechtskampfs in den Vereinigten Staaten, als Vertreterin des "anderen Amerika" eine ganz entgegengesetzte Botschaft nach Teheran. Frau Robinson, die heute Vizepräsidentin des amerikanischen Schiller-Instituts ist, besuchte vom 20. bis 26. Juni den Iran auf Einladung des staatlichen Senders Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB) und wurde begleitet von Muriel Mirak-Weißbach von der Nachrichtenagentur EIRNA aus Deutschland.
Beide gaben zahlreiche Interviews in verschiedenen Sendungen des iranischen Fernsehens, darunter zwei populären Talkshows, sowie im nationalen Radio. Am 25. Juni hielt Frau Robinson eine Pressekonferenz vor dem Verband islamischer Publizisten, an der 20 Personen teilnahmen. Weiterhin gab sie der auch in Farsi erscheinenden Tageszeitungen, u.a. Dschamei Dschami, Interviews.
Robinson wurde empfangen vom Vizepräsidenten des IRIB für Kommunikation und internationale Angelegenheiten Mohammad Honardoost, vom Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaften und Verwaltung der Teheraner Universität Dr. Hossein M.M. Sadeghi, von der Vizepräsidentin der Republik Iran für Frauenangelegenheiten Frau Zahra Shojaie sowie von den beiden Parlamentarierinnen Rezazadeh und Mosavari Manesh.
Bei ihren zahlreichen Gesprächen und Interviews im Iran hatte Amelia Robinson eine eindeutige Botschaft: Die aggressive Haltung Washingtons gegen den Iran und andere Länder sei die außenpolitische Erweiterung desselben Rassismus, der in den USA vor der Verabschiedung der historischen Bürgerrechtsgesetze 1965 gegen die Afroamerikaner herrschte. Um heute die Kriegspläne der anglo-amerikanischen Machtstrukturen zu durchkreuzen, müßten die Nationen zusammenstehen, so wie in den Tagen des Bürgerrechtskampfes nicht nur die schwarzen Amerikaner, sondern auch Weiße aus Amerika und sogar aus aller Welt die Forderungen von Dr. Martin Luther Kings Bewegung unterstützten.
Martin Luther King kämpfte nicht nur für die Rechte der Afroamerikaner oder die Bürgerrechte allgemein, unterstrich Robinson in Interviews und Diskussionen, sondern für die Menschenrechte aller Völker für alle Zeiten. Dieser Kampf sei nach Kings Tod von Lyndon LaRouche aufgegriffen und weitergeführt worden, und LaRouches Programm für eine Währungsreform und den Wirtschaftsaufbau könne die eigentliche Ursache der heutigen Kriegsgefahr, die weltweite wirtschaftliche Zusammenbruchskrise, überwinden.
Amelia Robinson schilderte ihre lebenslangen Erfahrungen im Kampf für die Bürgerrechte, um daraus Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Auf die Frage, warum es so lange dauerte, bis die Afroamerikaner ihre Rechte erkämpften, wo doch Präsident Lincoln schon 1865 die Sklaven befreit hatte, antwortete sie: Damals seien tatsächlich Afroamerikaner in öffentliche Ämter auf verschiedenen Ebenen gewählt worden. Aber um 1910 habe sich der Rassismus wieder durchgesetzt, und besonders im Süden der USA erfanden die Behörden immer neue Hürden, um den Schwarzen ihr Wahlrecht streitig zu machen.
Als 1921 den Frauen das Wahlrecht gewährt wurde, erinnerte sich Robinson, zog sie mit ihrer Mutter im Einspänner los und ging von Tür zu Tür, um Frauen anzuspornen, sich als Wähler registrieren zu lassen. Später, als sie 1929 mit ihrem Mann nach Alabama zurückkehrte, traf sie auf Afroamerikaner, die kaum besser lebten als ihre Vorfahren vor der Sklavenbefreiung. Sie hatten keine Chance, von ihrer Farm wegzukommen, wo sie hart arbeiten mußten und der weiße Landbesitzer sie um ihren Verdienst betrog, indem er ihnen alle möglichen angeblichen "Unkosten" vom Lohn abzog. Daher halfen Amelia und ihr Mann den Menschen vor allem, Mittel und Wege zu finden, eigenes Land zu erwerben und sich selbständig zu machen, sowie sich als Wähler eintragen zu lassen. Nur durch Ausübung ihres Wahlrechts konnten sie "Bürger erster Klasse" werden, sagte Robinson.
Sie und ihr Ehemann hatten schon 35 Jahre lang für diese Ziele gestritten, als Dr. Martin Luther King auf ihre Einladung hin am 2. Januar 1965 nach Selma in Alabama kam. Es wurde überall herumerzählt, King sei ein Kommunist. Dazu sagte Robinson: "Das ist das ,Teile und Herrsche', was das System immer betreibt. Sie säten Zwist unter den Indianern, unter den Schwarzen, und nun in der ganzen Welt. Sie sagten den Schwarzen: ,Der ist ein Kommunist, der wird euch nur Ärger machen, laßt euch nicht mit ihm ein'."
Doch Robinson überließ King und seinem Stab ihr Haus und Büro, und so entwickelte sich ihre Zusammenarbeit. "Er tat das gleiche, was wir vor Ort taten, nur in größerem Umfang. Wir wollten die Menschen erheben, wir sagten ihnen, daß sie einen Wert haben, daß sie selbst denken müssen: ,Wir wollen, daß ihr eure Rechte bekommt, und ihr könnt sie bekommen und Bürger erster Klasse werden, wenn ihr euch als Wähler registrieren laßt.' Und wir halfen ihnen weg von den Farmen, wo sie nie wußten, wieviel sie verdient hatten, weil der Plantagenbesitzer es ihnen vorenthielt."
Entscheidend sei in solchen Auseinandersetzungen der "subjektive Faktor", sowohl bei der Bevölkerung als auch bei der politischen Führung. Um zu erklären, wie schließlich 1965 das Wahlrechtsgesetz und Bürgerrechtsgesetz durchgesetzt wurden, sagte sie, die Weißen hätten sich verändert: "Seit 1965 - eigentlich schon immer - ging es bei dem Kampf nicht um die Schwarzen, sondern um Gerechtigkeit. Es waren nicht nur Schwarze, die kämpften, sondern auch Weiße, Menschen aller Nationalitäten. Ihre Herzen hatten sich verändert... Man wacht ja nicht einfach auf und sagt: ,Ich bin ein Rassist', sondern die Leute waren so erzogen. Wie ein Mensch, der ein klares Bewußtsein vom Bösen hat und sich entscheidet, Gutes zu tun, so mußten sie ihr Gewissen von dem, was man ihnen anerzogen hatte, reinigen. Sie erkannten, wie Dr. King sagte, daß man Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe beurteilt, sondern nach ihrem Charakter."
In einem Gespräch sagte Robinson: "Dr. King hatte ein Programm, um die Welt zu verändern, und man konnte die Welt nicht verändern, solange man nicht die Herzen der Menschen veränderte." Bei dieser Veränderung der Herzen spiele die Religion eine große Rolle: "Die Bibel sagt, man kann schon den Himmel auf Erden schaffen. Man muß sein Gewissen von allem denkbaren Bösen reinigen, denn der Haß tut einem selbst nicht gut, und auch Geld kann das Gewissen nicht beruhigen."
Entscheidend sei Martin Luther Kings Führung gewesen, erklärte sie auf eine Frage nach dessen berühmter letzter Rede in Memphis "Ich habe einen Traum": "Dieser Mann hat nicht bloß Reden gehalten... Er sprach aus dem Herzen. Es war noch erhebender als Pastoren und alle, die von Religion sprachen. Man konnte sehen: Das war ein Mensch, der von einem höheren Wesen inspiriert war. Das meinte er, als er damals sagte: ,Ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen.' Wenn er sprach, konnte man sehen, verstehen und fühlen, was er sagte.
Mit der Macht der Liebe und seiner Bereitschaft, sich für die Freiheit zu opfern, konnte King die Menschen verändern, sagte Frau Robinson: "Und das war es, was Dr. King der Welt sagen wollte: daß etwas wie Liebe existiert, daß sie von oben kommt, daß man, wenn man für die Liebe lebt, für Gott lebt, und daß man so den Himmel schon hier auf Erden haben kann." Und sie fügte hinzu: "Dr. King ist tot, aber seine Predigten, seine Ziele leben weiter. Und Lyndon LaRouche, der die verstreuten Scherben von Dr. Kings Bewegung aufgelesen hat, trägt die Arbeit weiter, international, mit politischen und wirtschaftlichen Zielen."
Für die Iraner war die drängendste Frage natürlich die, wie sie ihr Land vor einem Angriff verteidigen können. Sie wollten verstehen, warum sich die US-Regierung gegenüber dem Iran und anderen Ländern so verhält.
Daher wurde Lyndon LaRouches Analyse des 11. September viel Platz eingeräumt. LaRouche hat von Anfang an erklärt, es handele sich hier um einen versuchten Staatsstreich verbrecherischer Elemente im amerikanischen Militär- und Geheimdienstestablishment, die die Regierung Bush in einen "Krieg der Kulturen" hineinmanipulieren wollen. Viele Journalisten fragten danach in ihren Interviews. Frau Mirak-Weißbach ergänzte das Bild, indem sie betonte, der Hintergrund sei die weltweite finanzielle Zusammenbruchskrise. Die Finanzoligarchie, die hinter dem Angriff vom 11.9. stehe, versuche in dieser Krise verzweifelt, ihre politische Macht mit militärischen Mitteln zu bewahren.
Auch die innenpolitischen Implikationen des 11. September in Amerika wurden in den Debatten wiederholt angesprochen. Die Interviewer fragten nach den Verhaftungen von Arabern und Moslems in den USA und nach den "Kriegsgefangenen", die auf Kuba in Guantanamo Bay festgehalten werden. Seien dies nicht Verstöße gegen die Bürgerrechte, die Menschenrechte und die Verfassung? Dies konnten die amerikanischen Gäste nur bejahen. Sie erläuterten, wie mit den Maßnahmen von Justizminister John Ashcroft im Namen der "Heimatverteidigung" ein Polizeistaatsapparat errichtet wird. Da die US-Regierung keinen Krieg erklärt hat, könne es natürlich auch keine "Kriegsgefangenen" geben, das sei absurd. Die willkürliche Mißachtung des Rechts zeige sich auch daran, daß Personen zu "Feindkombattanten" erklärt und ohne Beweise in Militärgefängnisse eingesperrt werden.
Als weiteres Beispiel für Menschenrechtsverletzungen in den USA erläuterte Robinson den Fall Lyndon LaRouches und seiner Mitarbeiter von der manipulierten Verurteilung und Inhaftierung 1989 bis zu jüngeren Ereignissen. Sie schilderte, wie bei den Präsidentschaftsvorwahlen 2000 LaRouches Stimmen unterdrückt wurden und die Parteiführung der Demokraten seine Delegierten illegalerweise ausschloß. Als der Oberste Gerichtshof der USA dann entschied, daß die Demokratische Partei befugt sei, LaRouches Wähler auszuschließen, sei das praktisch eine Aufhebung des Wahlrechtsgesetzes von 1965 gewesen, für das sie und andere so lange gekämpft hatten, sagte Robinson.
Häufig kam das Schicksal der Palästinenser zur Sprache. Eine Frage lautete: "Wie können die USA behaupten, einen Krieg gegen Terror zu führen, wenn sie Israels Staatsterror tolerieren?" Robinson schockierte ihre Zuhörer mit der Antwort: "George Bush ist wie ein Kind! Er weiß nicht, was er sagt. Und die Terroristen sitzen in den USA. Wenn Osama Bin Laden ein Terrorist ist, dann wurde er von Amerika finanziert und ausgebildet."
Die Wurzel dieses rechtsbrüchigen Verhaltens sei, daß Amerika Gott und die eigene Verfassung aufgebe. Im Gegensatz dazu sei die ehrliche Religiosität von Moslems in den USA und im Iran zu loben.
Frau Robinson ist zwar schon länger mit Reden und Veranstaltungen in amerikanischen Moscheen im ökumenischen Dialog mit dem Islam engagiert, doch dies war ihr erster Besuch eines islamischen Landes. Die Gastgeber des IRIB organisierten deshalb einen Kurzbesuch im historischen Isfahan, das im 17. Jahrhundert durch die Safawiden-Dynastie erbaut wurde, um der Bürgerrechtlerin einen Eindruck von einigen Höhepunkten islamischer Kultur zu vermitteln.
Isfahan wird auch das "iranische Florenz" genannt (Florenz ist übrigens seine Partnerstadt). Die von Schah Abbas erbaute Stadt bietet zahlreiche schöne Beispiele islamischer Architektur, darunter die 330 Meter lange Si-o-seh Pol-Brücke, die Juur-Brücke und die Charjup-Brücke, die sich in Form zweistöckiger Arkaden über den Fluß erhebt. Der Ali-Qapu-Pavillon, ein großartiges fünfstöckiges Bauwerk aus der gleichen Periode, hat einen nach sehr fortschrittlichen akustischen Erkenntnissen konzipierten Musiksaal, und die Wände des Palasts der 40 Säulen (Chehel Sotun) sind mit wunderschönen Gemälden geschmückt, die diplomatische Begegnungen der Safawiden mit Staatsgästen aus Indien und Turkestan darstellen.
Höhepunkt des Besuches war der Gang durch den riesigen Basar zu dem als Meida-i-Imam (Naqsh-i-Jahan) bekannten Komplex aus Madrasas (Schulen) und Moscheen und zu der berühmten Moschee des Imam, die mit sehr schönen Keramiksäulen dekoriert ist. Letzte Station war die im gleichen Stil gehaltene Scheich-Lotfollah-Moschee.
Frau Robinson merkte während der Ansichtstour an, die Menschen in den USA, die so schnell dabei seien, den Islam als Kultur des Terrors zu verurteilen - angefangen vom Präsidenten - , wüßten in Wirklichkeit absolut nichts über die große Zivilisation, die der Islam geschaffen hat. Sie drängte ihre Gastgeber, ihre Kultur gegen äußeren Druck zu verteidigen und die Wurzeln ihrer Identität zu bewahren. Angesichts der Angriffe und Drohungen der anglo-amerikanischen Oligarchie, sagte sie, solle der Iran standhaft bleiben und niemals seine Unabhängigkeit und Souveränität, und vor allem niemals seine Kultur aufgeben.
Der Iran ist noch immer für das Gespräch mit den USA offen. Dies betonte der frühere Präsident und heutige Kopf des einflußreichen Vermittlerrats Rafsandschani am 21. Juni in seiner Rede zum Freitagsgebet. In einer früheren Rede hatte Rafsandschani sich auf LaRouches Analyse des 11.9. bezogen. Schon im März waren Mirak-Weißbach und ihr Ehemann von der außenpolitischen Denkfabrik IPIS als Vertreter LaRouches zu einer politischen Konferenz eingeladen. Es ist also nicht zu übersehen, mit welchem Amerika der Iran einen Dialog führen möchte.
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