August 2002: |
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Die Zerstörung des Weltfinanzsystem durch Spekulation und Abwürgen der Realwirtschaft kündigte sich bereits 1971 an, als US-Präsident Nixon den Dollar vom Gold abkoppelte und die Ära der "schwankenden Wechselkurse" begann. Heute liest man dies hin und wieder in Artikeln zerknirschter Finanzredakteure, aber die Neue Solidarität brachte schon 1974 und dann immer wieder die nachdrücklichen Warnungen des Wirtschaftswissenschaftlers Lyndon LaRouche, daß die Abkehr vom Bretton-Woods-Regime letzten Endes zur Zusammenbruchskrise des Weltfinanzsystems führen würde. Also dem, was jetzt vor unseren Augen passiert.
Schritt für Schritt wurde das Finanzsystem seither dereguliert und liberalisiert, das Spekulieren immer leichter und das Investieren in die Herstellung realer Güter immer schwieriger gemacht. Der "Shareholder Value", die Gier nach schnellem Profit, ist langfristigen produktiven Investitionen genau entgegengesetzt. Die Finanzmärkte wurden von der realen Wirtschaft vollkommen abgekoppelt, und der Wahnsinn der Spekulation trieb in den 90er Jahren immer tollere Blüten. Mit sogenannten "Derivaten" wurden Finanz-Kasino perfektioniert. Schließlich setzte die New Economy mit Aktienemissionen kaum existenter Dot.com-Firmen der ganzen traurigen Geschichte noch die Krone auf.
Heute sind die meisten Spekulationsblasen geplatzt, aber die Selbsttäuschung dauert solange fort, wie man die Schuld für den großen Crash nun bei irgendwelchen Ron Sommers sucht, anstatt bei der verantwortungslosen Zockermentalität, die das ganze System erfaßt hatte - bis hin zum Kleinaktionär, der abends die unsäglichen Börsensendungen mit dem gleichen Flackerblick verfolgte wie ein kranker Zocker die Roulettekugel im Spielcasino.
Oder nehmen wir die verpatzte Chance von 1989-90. In einer historischen Sternstunde gelang die Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands. Die Bundesrepublik war eine der führenden Industrienationen des Westens, die DDR die entwickeltste Wirtschaft des Ostblocks, aber mit einem riesigen Nachholbedarf bei Infrastruktur und Industriemodernisierung. Normalerweise hätte daraus ein Wirtschaftswunder, ein Paradebeispiel für erfolgreichen irtschaftsaufbau werden müssen, der in ganz Osteuropa und der übrigen Welt Schule gemacht hätte. Statt dessen wurde die "Transformation" Ostdeutschlands auf geradezu unglaubliche Weise vermasselt. Wir haben dazu ein BüSo-Extrablatt herausgebracht.
Auch den Ökowahn sollte man bei dieser Politbilanz der letzten Jahrzehnte nicht aussparen. Ich erinnere mich genau an eine Studie des Worldwide Fund for Nature (WWF) nach dem Ende des Eisernen Vorhangs, worin allen Ernstes beklagt wurde, daß im Niemandsland entlang der deutsch-deutschen Grenze die Flora und Fauna nun leider wieder von Menschen gestört werde. Dieses Beispiel makabrer Nostalgie für den Todesstreifen unterstreicht den fatalen Wahnsinn der dahinterstehenden Ideologie der nachindustriellen Gesellschaft und hat mit vernünftigem Umweltschutz und gesunder Naturverbundenheit nichts zu tun.
Das neoliberale Programm der "Globalisierung" und die grüne Ideologie der "nachindustriellen Gesellschaft" sind zwei Seiten derselben Medaille: nämlich der Verlagerung der Produktion zu Billiglohnsklaven in der Dritten Welt, Massenarbeitslosigkeit bei uns, Zerrüttung der öffentlichen Kassen und der Sozialsysteme durch sinkende Steuer- und Beitragseinnahmen. Dies ist der Hintergrund für den Abbau unseres einst beispielhaften Gesundheitswesens, und auch hier ist es im Grunde einerlei, ob die Wegrationierung lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen nach dem neoliberalen Motto "Wer leben will, muß zahlen!" oder im Namen des technikfeindlichen "Kampfes gegen die Apparatemedizin" erfolgt.
Zusammenfassend kann man sagen, daß alle wichtigen Trends der Wirtschaftspolitik der letzten drei Jahrzehnte aus einem Handbuch mit dem Titel stammen könnten "Wie ruiniere ich eine Gesellschaft". Offenbar existieren davon verschiedene Versionen: die eine ist grün, die andere neoliberal. Das Ergebnis ist das gleiche, die Maßnahmen ähnlich, nur das Vorwort ist anders. In einem Vorwort stehen Sätze wie "Jeder ist nur für das eigene Fortkommen verantwortlich" oder "Regeln für Gewinner in der Ich-Gesellschaft". Im anderen wird die "Abkehr vom anthropozentrischen Weltbild" gepredigt, d.h. der Mensch und die Menschheit dürften im geltenden Wertesystem nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Vorrang habe vielmehr "Mutter Natur", die Natur zu verändern sei nun die größte Sünde, und die Überbevölkerung das größte Übel. Und als Ziel wird die Verminderung der Weltbevölkerung auf zwei Milliarden Menschen gesetzt - durch Geburtenkontrolle und Rückbau der Industriegesellschaft. Anti-menschlicher Irrsinn mit unmenschlichen Folgen, besonders in weiten Teilen der Dritten Welt, weitab von den Exzessen der Spekulationsorgie, die jetzt zu Ende geht.
Nun ist die große Krise da, und man fragt uns, die belächelten und ausgegrenzten "Kassandras" von einst, wie wir da wieder herauskommen. "Der Trick ist, plötzlich wieder normal werden!", rät LaRouche, der Optimist. Das heißt, bezogen auf die Wirtschaftspolitik, sich auf das Wesentliche zu besinnen:
Wir sind ein Land fast ohne Rohstoffe, dessen Reichtum in seinen Menschen besteht. Offiziell sind 4 Millionen Menschen arbeitslos, tatsächlich gibt es doppelt so viele Arbeitsfähige, denen ein Arbeitsplatz fehlt. Für sie müssen produktive Arbeitsplätze her, die reale Werte schaffen. Dafür muß die Politik die Rahmenbedingungen organisieren, und die heißen: Aufbau Ost, Infrastrukturaufbau in ganz Osteuropa, Eurasische Landbrücke.
Das kann nur funktionieren, wenn das jetzt kollabierende Weltfinanzsystem neu geordnet bzw. die einzelnen Volkswirtschaften wie ein bankrotter Betrieb einem Konkursverfahren mit Gläubigerschutz unterzogen werden. Die meisten Schulden müssen gestrichen oder in langfristige Niedrigzinskredite für Investitions- und Aufbauzwecke umgewandelt werden. Zwischen den Währungen müssen wieder feste Wechselkurse eingeführt werden. Das zum globalen Spielcasino herabgesunkene Kreditwesen muß so reguliert werden, daß es wieder seiner ursprünglichen Aufgabe, nämlich der Finanzierung von Produktion, dient.
Die Zeit zum Handeln ist jetzt - nicht nach dem nächsten großen Krieg! Und dieses Mal können wir auch nicht warten, bis uns der große Bruder jenseits des Atlantik mit einem Marshallplan aus der Patsche hilft. Vielmehr sollten die Europäer sich ermannen und Washington auf dem Rückweg zur Vernunft mit gutem Beispiel vorangehen.
Die "Titanic" sinkt. Es wird höchste Zeit ins Rettungsboot zu steigen. Die BüSo steht bereit!
Gabriele Liebig
Gabriele Liebig ist langjährige Mitarbeiterin und Chefredakteurin der Neuen Solidarität,
und stellvertretende BüSo-Vorsitzende des Landesverbandes Hessen.
Sie kandidiert für den Bundestag auf Platz 2 der BüSo-Landesliste in Hessen
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