März 2004:
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Warum nicht das Kasseler Mautsystem?

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Was steckt noch hinter der Supertechnik von TollCollect, jenseits der großen Blamage?

Helmut Böttiger untersucht die politischen Hintergründe.

TollCollect wurde zum Gespött. Für die Regierung entstanden Einnahmeverluste an entgangener Lkw-Maut von angeblich 7 Mrd. Euro. Über der Schadenfreude vergessen die deutschen Autofahrer ein wichtiges Detail: Das satellitengestützte System ist so ausgelegt, daß im Prinzip alle Fahrzeuge (auch Pkw) und ihre gefahrenen Kilometer registriert werden können - wenn das System eines Tages funkioniert.

Wäre es nur um die LKW-Maut gegangen, hätten sich andere, preiswertere und effektivere Systeme angeboten. Eines davon funktioniert in Österreich seit Jahresbeginn hervorragend. Die Technik dazu stammte ursprünglich aus Deutschland. Sie wurde am Fachbereich Elektrotechnik/Informatik der Universität Kassel entwickelt.

Schon vor zehn Jahren konstruierten dort Wissenschaftler des Fachgebietes Hochfrequenztechnik in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch GmbH und ANT-Telefunken einen Vorläufer der sogenannten GO-Box, die heute in Österreich eingesetzt wird. Zu dieser Zeit plante nämlich schon CDU-Verkehrsminister Günter Krause, eine Maut auf deutschen Autobahnen einzuführen.

Der kleine Kasten, den die Kasseler Forscher zur Abrechnung der Autobahngebühr entwickelten, wird einfach an der Windschutzscheibe des Lkw angebracht. Antennenbrücken an der Straße funken per Mikrowellen der GO-Box zu, die fällige Autobahngebühr automatisch von einem Guthaben auf einer Chipkarte in der Box abzubuchen. Das funktioniert reibungslos. Die Kasseler Techniker hatten das Verfahren und das nötige Gerät auf dem Flugplatz Kassel-Calden ausführlich getestet. Sie konnten zeigen, daß die Daten zwischen fahrenden Autos und den Antennenbrücken auch bei hohen Geschwindigkeiten immer und zuverlässig übertragen wurden.

Mitte der 90er Jahre jedoch legte die deutsche Regierung ihre Mautpläne vorerst auf Eis. Die Firma Bosch verkaufte als alleinige Inhaberin des Patents das Mikrowellen-Mautsystem nach Singapur. Dort haben es die Europäer vor wenigen Jahren wieder zurückgekauft - Österreich und die Schweiz nutzen die Technologie erfolgreich. Deutschland tut das wegen seiner weiterreichenden Pläne (noch) nicht.

Steuer für jeden gefahrenen Kilometer

Warum greift man auf dieses offensichtlich gut funktionierende System nicht zurück? Die Antwort ist einfach: Es ist nicht für den Zweck tauglich, dem es eigentlich dienen soll. Von deutschen Großunternehmen wie DaimlerCrysler und Telekom sollte ein System entwickelt werden, das vom Boden aus schwerer zugänglich ist, als es Gerüste an der Autobahn wären. Kein wegen des Abkassierens wild gewordener Autofahrer wird sich an den Satelliten vergreifen können. Wichtiger noch, und hier liegen wohl die eigentlichen Erfassungsprobleme, ist der Umfang der zu erfassenden Fahrzeuge. Denn das System könnte nicht nur die inzwischen mautpflichtigen Fernlastwagen, sondern alle Fahrzeuge, möglichst nicht nur auf der Autobahn, im ganzen Land erfassen.

Der Grund liegt auch nicht, wie vielleicht Datenschützer vorschnell vermuten, in der polizeilichen Überwachung, obwohl auch diese dadurch möglich wäre. Es geht um das Geld, weshalb letztendlich auch die Polizeiüberwachung verstärkt wird. Wovon soll der Staat in Zukunft Steuern eintreiben, wenn eine Firma nach der anderen schließen muß und die verbleibenden Firmen eher Verluste als Gewinne einfahren? Wovon sollen Politiker leben, wenn die Verdienste derer, die sich noch einen Arbeitsplatz ergattern konnten, kaum mehr über dem Steuerfreibetrag liegen?

Da bliebe zum einen die Mehrwertsteuer, über deren Erhöhung immer wieder meinungsbildend und -prüfend laut nachgedacht wird. Doch mit fallendem Einkommen wird weniger konsumiert und damit auch weniger Mehrwertsteuer bezahlt werden. Die Energiesteuer haben wir schon und entrichten sie brav an der Tankstelle. Warum nicht auch noch eine steuerlich wirksame Kilometerpauschale? Das wäre "sozial verträglich", weil sich Mittellose ohnehin das teure Herumfahren nicht mehr werden leisten können. Man trifft so gezielt diejenigen, die es noch können oder geschäftlich müssen. Die Pkw-Maut könnte sich als Grundlage eines neuen Steuersystems herausstellen, das sich mit dem Werbespruch "mehr Steuergerechtigkeit" recht gut verkaufen ließe. Vor allem ließe es gerade die ungeschoren, in deren Sinne regiert wird, denen wir den Niedergang der Wirtschaft und der Staatsfinanzen zu verdanken haben - die spekulativen Träger und Nutznießer des Weltfinanzsystems.

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