Dezember 2003:
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MOX-Anlage und Machtpolitik

Bei der Debatte über den möglichen Verkauf der nie in Betrieb gegangenen MOX-Anlage in Hanau nach China zeigten sich die NATO-oliven Wurzeln der ganz und gar nicht spontan entstandenen grünen Bewegung in besonders krasser Form, als die grüne Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn, die NATO und die USA aufforderte, den Verkauf zu verhindern.

Chinesen für Kernenergie Einige Grüne scheinen Probleme mit der Geographie zu haben: Hanau liegt weder in Nordrhein-Westfalen, noch in den USA; wozu dann diese Zuträgerhaltung? Helmut Böttiger geht der Sache auf den Grund und beschreibt die "oliv-grünen" Wurzeln einer Bewegung, deren Amtsinhaber "Stunk" gegen zivilen Technologietransfer nach China machen - ein Land das eine zunehmende Barriere gegenüber dem alleinigen Weltmacht-Anspruch der Anglo-Amerikaner darstellt.

*) = "Lieber ein Kernkraftwerk im Garten als ein Grüner im Berliner Reichstag"

In ihrer Not riefen die Grünen in der Person der nordrhein-westfälischen Umweltministerin Barbara Höhn die NATO und die USA um Hilfe. Not machte ihnen, daß Kanzler Schröder vor kurzem bei seinem Besuch in China seinen Gastgebern den Verkauf der "Atomanlage Hanau" versprochen hatte, von der sein nun sehr schweigsamer Außenminister früher stolz behauptet hatte, er habe "Hanau dicht" gemacht. "Vor dem Verkauf müßten die Vereinigten Staaten und selbst die NATO kontaktiert werden", hieß es in der Meldung, die der WDR am 9. Dezember ins Internet stellte. "Da ein möglicher Export auch die Sicherheitsinteressen der USA und der NATO berührten, müßten diese vor einem Verkauf einbezogen werden, erklärte die Ministerin weiter." Damit zeigen die Grünen wieder einmal - und dieses Mal recht offen - , in welcher Absicht und in wessen Interesse und möglicherweise Auftrag sie ihre Politik, die friedliche Nutzung der Kernenergie in Deutschland zu unterbinden, eigentlich betreiben.

Hanau - keine Atomwaffenfabrik!

Die Schließung der Hanauer Anlage bildet hierbei ein Schlüsselprojekt. Die Anlage störte nicht etwa, weil sich mit ihr - wie von grüner Seite immer wieder fälschlich behauptet - Waffenplutonium herstellen ließe. Im Gegenteil, in ihren Handschuhkästen, die bei Unterdruck arbeiten, damit bei einem Leck im Kasten nichts an die Umwelt gelangen kann, wird Plutonium militärisch unbrauchbar gemacht und weiterverarbeitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob man dabei waffentaugliches Plutonium aus früheren Kernwaffen verwendet oder solches, das aus abgebrannten Kernbrennstäben zurückgewonnen wurde. Das Endprodukt ist auch kein Sprengstoff, sondern es sind Brennelemente, deren Plutoniumgehalt in Kernkraftwerken verbrannt und damit endgültig aus der Welt geschafft wird.

Warum richtete sich der Haß der Grünen nun ausgerechnet gegen eine solche Anlage, in der das angeblich "hochgiftige" und als Waffensprengstoff hochgefährliche Plutonium doch vernichtet werden soll? Plutonium entsteht als Bestandteil des "Atommülls" in den über 400 Kernkraftwerken, die weltweit elektrischen Strom liefern, und muß entsorgt werden. Die Bestimmungen des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen sehen strenge und sehr aufwendige Kontrollen der Kernkraftabbrände vor, so lange sie noch spaltbares Material, also auch Plutonium enthalten.

Um diesen Aufwand möglichst gering zu halten, wurde schon frühzeitig das Mischoxidverfahren, die Herstellung neuer Brennelemente aus dem im "Atommüll" noch vorhandenen spaltbaren Material, entwickelt. Seit 1972 arbeitete eine solche Anlage in Hanau.

Terror und Bürokratie gegen Technik

Sie wurde eines der Ziele, gegen die sich die Aktionen der grünen "Bewegung" richteten. Dabei wurde schon bald die Grenze zum Terrorismus überschritten. Am 25. September 1984 kam es in der Nähe der Hanauer Nuklearbetriebe zu einem schweren Zwischenfall: Bei einer Demonstration vor dem Betrieb, an der etwa 50 Bewohner des "Friedenscamps" Maintal teilnahmen, wurde einem Polizeibeamten die Dienstwaffe entwendet. Bei der darauffolgenden Fahndung wurde ein Streifenwagen von 20 Vermummten umzingelt und angegriffen; ein Beamter mußte Warnschüsse abgeben, um die Gruppe zu zerstreuen. Mit der gestohlenen Dienstwaffe wurden drei Jahre später, in der Nacht des 2. November 1987, zwei Polizisten an der Startbahn West hinterhältig ermordet.

Als die Hanauer MOX-Anlage nach dem Fall der Mauer durch eine neue, modernere Anlage ersetzt werden sollte, traten plötzlich neue Schwierigkeiten auf. Zwar wurde der Bau der neuen Anlage durch die zuständige Landesbehörde zunächst noch genehmigt, doch ihre Inbetriebnahme wurde durch immer neue Schwierigkeiten und Auflagen der inzwischen rot-grünen Landesregierung in Hessen sabotiert. 1994 mußte die alte Anlage endgültig stillgelegt werden, ohne daß die neue ihren Betrieb aufnehmen konnte. Da 1995 infolge der Wiederwahl einer rot-grünen Landesregierung in Hessen die Aussichten, die endgültige Betriebsgenehmigung für die Anlage - in die inzwischen 720 Millionen Euro investiert worden waren - doch noch zu erhalten, geschwunden waren, beugte sich Siemens dem hinterhältigen Treiben der Landesregierung und beantragte die Stillegung der Anlage. Die Grünen feierten ihren Sieg.

Es war nicht ihr letzter. Ihnen gelang es auch noch, den Verkauf der Anlage an Rußland zu verhindern. Rußland verfügte aus den Tagen des Kalten Krieges unter anderem über 100 t Plutonium, das ursprünglich für die weitere Waffenproduktion vorgesehen war. Um dieses in Kernkraftwerken zur Energieerzeugung verbrennen zu können, plante das Land eine entsprechende Anlage in Majak bei Tscheljabinsk und hätte zu diesem Zweck gerne die Hanauer Anlage zu einem günstigen Preis gekauft.

Das amerikanische Interesse

Vor allem die USA sperrten sich gegen dieses Geschäft. Sie schickten zu diesem Zweck 1995 Frank von Hippel, den "Direktor des gemeinsamen Programms zu Nichtweiterverbreitung und Abrüstung von Kernwaffen im Bund Amerikanischer Wissenschaftler" nach Deutschland. Er trug in seiner Eröffnungsrede auf dem Symposium über "Waffenfähige Kernmaterialien aus der früheren Sowjetunion" am 9. Mai im Konrad-Adenauer-Haus in Bonn die schwer nachvollziehbaren Gründe der USA geschickt verklausuliert vor.

Im Grunde argumentierte er so: Der Uranpreis sei wegen der Übersättigung des Marktes so niedrig, daß auf die Verwendung des waffenfähigen Materials als Brennstoff in Kernkraftwerk leicht verzichtet werden könne und sich der Bau einer MOX-Anlage wirtschaftlich nicht rechne. Die Existenz einer solchen Anlage als dem zweiten Schritt im Kernbrennstoff-Kreislauf dränge aber logischerweise zu dem ersten Schritt, nämlich zur Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente und der Rückgewinnung der darin noch enthaltenen Brennstoffe. Die USA seien nun daran interessiert, daß Rußland, wie schon Deutschland, endgültig auf die Wiederaufbereitung verzichte und statt dessen die abgebrannten Brennelemente unbehandelt endlagere. Daher hätten die USA angeboten, Rußland das waffenfähige Material zu dem Preis abzukaufen, den das Land mit daraus gefertigten Kernbrennstoffen erzielen könnte.

Zu dem Geschäft ist es wohl wegen des militärischen Mißtrauens der Russen nicht gekommen, denn sie errichteten ihr eigenes MOX-Werk. Frank von Hippel hatte mit seinem Vortrag in Bonn auch die deutschen Experten sachlich nicht überzeugen können. Besonders heftig widersprach ihm damals der Vertreter der Internationalen Atombehörde (IAEA) in Wien und setzte sich gerade aus Gründen der Nonproliferation für die Verarbeitung des Plutoniums zu MOX-Brennstoffen und ihre anschließende Verbrennung in Kraftwerken ein.

Daher verhinderte erst politischer Druck diese vernünftige Lösung und vereitelte den Verkauf der Hanauer MOX-Anlage an Rußland. Neben Greenpeace waren es vor allem die Grünen, die - so wie jetzt wieder - den machtpolitischen Interessen der USA zuerst in den Medien und dann bei den politischen Entscheidungsträgern durch militante Straßenkämpfe und spektakuläre Aktionen Geltung verschafften.

Olivgrüne Wurzeln

Nun fügt sich eine solche Interessenverbindung zwischen den Grünen und der US-Machtelite nicht so recht in das Bild, das die Medien dem Bundesbürger von den Grünen vorgezeichnet haben. Auch der bei den Grünen häufig anzutreffende direkte oder indirekte Antiamerikanismus will nicht so recht zu einer solchen Interessenverknüpfung passen. Viele Leute halten die grüne Bewegung für eine "spontane Bürgerbewegung", die sich Anfang der 70er Jahre zusammenfand, um sich gegen den weiteren übermäßigen Raubbau der Industriegesellschaft an der Umwelt zu wehren.

Dabei wird aber vergessen, wie es in Wirklichkeit zur grünen Bewegung kam. Welche "spontane Bürgerbewegung" nahm jemals ihren Anfang mit der Veröffentlichung eines Manifests, das - bereits in die wichtigsten Weltsprachen übersetzt - innerhalb von Wochen in vielmillionenfacher Auflage erschien und sogleich in den wichtigsten Medien aller Kontinente aufmerksam kommentiert wurde?

Für eine solche "spontane Bewegung" gibt es nur ein Beispiel: die grüne Bewegung und das Manifest Die Grenzen des Wachstums.

Aurelio Peccei, der Gründer des berüchtigten Club of Rome, der 1972 mit seiner Programmschrift Die Grenzen des Wachstums sofort die Aufmerksamkeit aller Medien gewann, kam ebensowenig aus der 68er-Studentenbewegung wie die Mitglieder seines Clubs. Er saß vielmehr im Vorstand von Olivetti und Fiat Lateinamerika.

Wichtiger war er aber in einer anderen Funktion: Peccei bekam 1967 den Vorsitz im Wirtschaftsausschuß des Internationalen Atlantik-Instituts. Dort hatte er die politische Führungsspitze der NATO auf das Thema "Die Neuordnung der Welt und die Notwendigkeit globaler Planung" vorzubereiten. Später, 1969, gründete die NATO zum gleichen Zweck das Komitee "Herausforderungen der modernen Gesellschaft", das er ebenfalls leitete. In dem Gründungsdokument des Komitees wird die Gefahr des Atomkrieges durch eine neue ersetzt. Wörtlich heißt es: "Das Überleben der heutigen menschlichen Gesellschaft wird gegenwärtig von einem neuen Faktor bedroht, der schnellen Verschlechterung des Globus als ökologisches System."

Das war damals ein ganz neues Thema, für das die Bevölkerung erst "sensibilisiert" werden mußte. Von wem, etwa der NATO? Der damalige stellvertretende Generalsekretär des Militärbündnisses, Dr. W. Henily, äußerte sich zu dieser Frage wie folgt: "Zuerst haben die europäischen Regierungen gezögert, sich damit zu beschäftigen. Dann haben die grünen Parteien und die Umweltschützer auf die Regierungen Druck ausgeübt und sie dazu gezwungen, Ausschüsse einzurichten."

Beamtenschöpfung

Die Initiative des Club von Rom wurde in Deutschland zunächst auch nicht von den Bürgern oder gar Studenten und anderen jungen Leuten aufgegriffen, sondern von führenden Beamten. Der Staatssekretär im Innenministerium, Dr. Günter Hartkopf, hängte auf der Tagung des Deutschen Beamtenbundes in Bad Kissingen am 8. Januar 1986 diesen Skalp stolz an den Gürtel der höheren Bundesbeamten. Er sagte u.a.:

"Zur Organisation des Umweltschutzes und damit zur Unterstützung der Umweltverwaltung bedarf es daher einer Lobby, die außerhalb von Verwaltung und Parlament Forderungen für mehr Umweltschutz erhebt und damit in Politik und Meiden gehört wird. Es waren vorwiegend Beamte, die den Grundstein für die Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen legten und sie mit Leben und sachlichen Mitteln ausstatteten... Doch die Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen war kein umweltpolitischer Kampfverband... Es waren wiederum Beamte, die den Plan vorwärtstrieben, örtliche Bürgerinitiativen zu einem Dachverband zusammenzuschließen und die die Gründungsversammlung und einiges mehr finanzierten. Natürlich war allen Beteiligten klar, daß man einen ziemlich wilden Haufen ins Leben gerufen hatte, der auch der Umweltverwaltung durch seine Forderungen schwer zu schaffen machen würde. Doch das eigentliche Wadenbeißen der Verbände fand immer in der richtigen Richtung statt und verschaffte der Umweltverwaltung Luft zum Agieren."

In dem Vortrag führte er auch aus, wie die gleiche Beamtenschaft am 3. Juli 1975 auf Schloß Gymnich verhinderte, daß Regierung und Wirtschaft - die sich im Verlauf der damaligen Rezession gegen die neue gesellschaftspolitische Ausrichtung der NATO sperrten - einen Investitionsstau von 50 Milliarden wieder freisetzen konnten. "Hohe Beamte in wichtigen Ressorts, die das Buch Grenzen des Wachstums nicht nur gelesen, sondern auch verstanden hatten, organisierten daraufhin im Vorfeld des Treffens den Teilnehmerkreis so um, daß eine beachtliche Umweltstreitmacht den Wirtschaftsbossen gegenübergestellt wurde. Der argumentative Sieg der Verwaltung über die Wirtschaft und die ihr nahe stehenden Politiker war gegen Abend dieses denkwürdigen Tages eindeutig."

Auswanderung der Hochtechnologie nach China

Und darunter leidet das Land bis heute. Der jüngste Sabotageversuch, der verhindern soll, daß die nutzlos gemachte Investition von 720 Millionen Euro wenigstens bei den zukunftsoffeneren Chinesen wirtschaftlichen Nutzen bringen kann, reiht sich nämlich in eine lange Reihe ähnlicher Verfahren gegen deutsche Hochtechnikanlagen ein. So läuft der Transrapid jetzt statt zwischen Frankfurt und Köln oder Berlin und Hamburg nun zwischen Shanghai und seinem Flughafen. Die 1990 stillgelegte Kernfusionsanlage ASDEX des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik arbeitet seit kurzem in Chengdu in der chinesischen Provinz Sichuan. Das Dortmunder Stahlwerk Westfalenhütte wurde Ende 2001 an den chinesischen Konzern Shagang verkauft und wird voraussichtlich im nächsten Jahr nordwestlich von Shanghai seine Arbeit wieder aufnehmen. Die ebenfalls in Dortmund gebaute Kokerei Kaiserstuhl wurde Ende 2000 geschlossen, dann vom chinesischen Bergbauunternehmen Yankuang gekauft und wird seit diesem Jahr abgebaut, um in China wieder aufgebaut zu werden.

Wen wundert bei solcher Mißwirtschaft, daß die Staatskasse leer und für Dinge, die früher selbstverständlich waren, kein Geld mehr vorhanden ist? Viel mehr sollte den Bundesbürger verwundern, wie lange er die Sturmtruppe ausländischer Konkurrenz in Deutschland nicht nur geduldet, sondern auch in hohe Staatsämter gewählt hat. Hoffen wir, daß wenigstens der Kanzler inzwischen und schließlich auch bei seinem Staatsbesuch in China etwas dazugelernt hat.

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