Januar 2007:
„Wir brauchen eine produktive Grundlage für unsere Gesellschaft“
Alexander Hartmann, Oberbürgermeisterkandidat der Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Wiesbaden, gab am 13. Januar ein Interview in der LaRouche-Show, der wöchentlichen Radiosendung des Executive Intelligence Review in den Vereinigten Staaten, die über das Internet in aller Welt zu empfangen ist. Das Gespräch führte Marcia Merry Baker. Im ersten Teil der Sendung hatten zwei Mitglieder der LaRouche-Jugendbewegung über ihre Aktionswoche in der amerikanischen Hauptstadt berichtet.
Das Bild zeigt den den OB-Kandidaten der BüSo in Wiesbaden im Gespräch mit einem Bürger der Stadt.
EIR: Kommen wir nach Deutschland. Meghan von der LaRouche-Jugendbewegung betonte, daß diese Wende in Washington keine Eintagsfliege ist, und daß in anderen Nationen der Welt große Dinge geschehen. So wird in zwei Tagen in Ekuador eine neue Regierung ihr Amt antreten. Herr Hartmann, Sie sind in Wiesbaden. Können Sie uns zunächst für unsere Hörer in aller Welt sagen - wo, was, wer? Um welches Amt geht es, wann ist die Wahl, was ist die BüSo, usw?
Hartmann: Ja. Die Wahl, zu der ich antrete, ist die des Oberbürgermeisters der Stadt Wiesbaden, der Hauptstadt des fünftgrößten deutschen Bundeslandes Hessen, vergleichbar vielleicht mit Columbus, Ohio. Und seit mehr als 30 Jahren ist Wiesbaden das europäische Hauptquartier der internationalen LaRouche-Bewegung. Wir sind hier also recht bekannt in der Region.
Nun ist etwas geschehen, was zwar unerwartet war, aber in gewisser Weise auch gesetzmäßig ist, denn Lyndon LaRouche hat ja schon immer vor der Inkompetenz der 68er und derjenigen gewarnt, die noch etwas jünger sind. Die Sozialdemokratische Partei (SPD), die man nach ihren politischen Sympathien wohl mit der Demokratischen Partei in den USA vergleichen kann, versäumte es, ihren Kandidaten, den sie im April des letzten Jahres ordnungsgemäß nominiert hatte, fristgerecht bis zum 4. Januar, 18 Uhr, zur Wahl anzumelden.
Wir sind also plötzlich in einer sehr interessanten Situation. Denn wenn man auf die letzten 30 Jahre zurückschaut - ich als 30jähriger Veteran der LaRouche-Bewegung habe das als Augenzeuge aktiv mitverfolgt: In den 70er Jahren begann die sog. Umweltschutzbewegung, die eine wichtige Rolle beim wirtschaftlichen Ruin Deutschlands gespielt hat. Und hier in Hessen, in unserer Stadt Wiesbaden, wurde die erste Landesregierung gegründet, in der die SPD ihre bis dahin verfolgte Politik und ihre etablierten Politiker aufgab, um eine „rot-grüne“ Koalition mit den Grünen einzugehen. Die ganze Sozialdemokratie wendete sich in diese Richtung - als gäbe es dort nur noch [Al] Gore.
Das war 1982, und es führte noch im gleichen Jahr zum Sturz der SPD-geführten Bundesregierung unter Helmut Schmidt. Seitdem war Deutschland auf dem Weg in die Zerstörung seiner Industrien, und das ging immer schneller. Einer der treibenden Faktoren dabei war, daß die sogenannte Linke ökologisch orientiert war, während die Rechten dem Freihandel anhingen...
Sie können sich vorstellen, da die SPD früher einmal die Partei der Industriearbeiter war, daß es viele Leute in der Partei gibt, oder die früher in der Partei waren, die SPD gewählt hätten, weil sie die Alternative noch viel mehr verabscheuen. Das war immer ein Problem für die BüSo, die sich für die Werte der wahren früheren Sozialdemokraten eingesetzt hat, der industriefreundlichen Menschen, die noch wissen, daß man eine produktive Wirtschaft braucht, um einen anständigen Lebensstandard und anständige Arbeitsplätze zu haben und eine Familie aufziehen zu können. Diese Schicht der Bevölkerung blieb bei der SPD, weil sie keine Alternative sah.
Ein Teil des Problems war natürlich, daß die Medien fast nie etwas über die BüSo berichteten, aber es lag auch daran, daß viele sagten: „Die BüSo ist eine kleine Partei, die werden die 5%, die man braucht, um in ein Parlament zu kommen, nicht schaffen, und deshalb würde man seine Stimme verschwenden. Wir stimmen lieber für das kleinere Übel, damit es eine Chance hat, das größere Übel zu besiegen.“
Nach dem Ausfall der SPD gibt es diese Option nicht mehr. Was haben wir? Wir haben den gegenwärtigen Stadtkämmerer der Stadt Wiesbaden, den Kandidaten der konservativen Christdemokraten (CDU), Dr. Helmut Müller. Er ist ein Verfechter des Freihandels, der Deregulierung, der Privatisierung. Dann haben wie die Grünen, die ironischerweise im vergangenen Frühjahr eine Koalition mit den Neoliberalen, mit den Konservativen eingegangen sind. Tatsächlich haben wir hier etwas, was man eine „Jamaika“-Koalition nennt, denn die liberale Partei, die Freien Demokraten (FDP) sind auch Teil dieser regierenden Koalition hier in Wiesbaden.
Es gibt noch ein oder zwei kleinere Bewerber, aber die Gesamtwirkung ist die, daß der größte Teil der SPD-Wähler niemanden hat, für den sie stimmen können. Und das ist eine sehr große Chance für uns, die wir wahrnehmen wollen. Unsere Absicht ist es, diesen Wahlkampf auf der Grundlage dessen zu führen, was Lyndon LaRouche in seinem Papier über die „Neue Politik“ schreibt. Wir sind darauf aus, so viele dieser Stimmen zu bekommen wie möglich. Und einen solchen Durchbruch hier in Wiesbaden können die Medien nicht vertuschen, indem sie nicht darüber berichten.
EIR: Das ist ja aufregend. Ich wollte gerade sagen, das ist eine wirkliche Flaggschiff-Situation, nicht wahr? ...
Ich glaube, daß das für viele Menschen hier viel bedeuten wird, die den radikalen Wandel in den letzten 20 Jahren und vor allem in den letzten paar Jahren in unserem eigenen industriellen Herzland und in unserem Industriegürtel von Pittsburgh an nach Westen über Ohio, Indiana, Michigan und Illinois gesehen haben. In Hessen hatten Sie, am Rhein und am Main, eine bestimmte wirtschaftliche Geographie, und dann diese Deindustrialisierung, von der Sie gesprochen haben. Können Sie uns einige der wichtigsten Dinge über Ihre Region sagen?
Hartmann: Wiesbaden war ein wichtiges Zentrum der chemischen Industrie. In Biebrich, einem Stadtteil von Wiesbaden, der direkt am Rhein liegt, ist seit über 100 Jahren ein wichtiges Zentrum der chemischen Industrie. Bald nachdem in den 1860er Jahren die Albertwerke gegründet wurden, wurde dort die Hälfte des Phosphatdüngers der Welt produziert. Und das war auch wichtig, weil es half, die Eisenproduktion aufzubauen. Denn bei einem bestimmten Prozeß in der Eisenproduktion, der sogenannten „Thomasbirne“, stellte man fest, daß die Schlacke, die sich in dieser Maschine absetzt, und die man eigentlich loswerden will, wenn man Stahl produziert, nur pulverisiert werden mußte und dann als Phosphordünger verwendet werden konnte. Und der Mann, der dieses Unternehmen aufbaute, ging zu den Stahlproduzenten, und sagte ihnen: „Wenn Sie Ihre Fabrik auf diese effizientere Methode zur Reinigung des Eisenerzes umstellen, dann kaufe ich Ihre Schlacke.“ Und das war Teil der Modernisierung der Stahlindustrie in Deutschland in den 1870er und 1880er Jahren.
Zur besten Zeit arbeiteten 18.000 Menschen im Chemiekomplex in Biebrich, zu dem nicht nur die Albertwerke gehörten, sondern auch Kalle. Später fusionierten sie, wurden Teil der Hoechstwerke. Inzwischen wurde aus Hoechst Aventis, oder was immer es heute ist. In dem Komplex arbeiten heute immer noch 5000 Menschen, aber sie verteilen sich auf etwa 360 verschiedene Firmen - als Reflektion der Globalisierung und des Zerfalls der industriellen Strukturen.
Und das ist etwas, was wir ändern müssen. Denn wenn wir eine Gesellschaft finanzieren wollen - Gesundheitssystem, Bildung usw. - dann braucht man wirklich eine produktive Grundlage für die Gesellschaft. Und wenn die weg ist, wenn wir sie nach Tschechien oder nach China und in andere Länder verlagern, dann können wir nicht mehr produzieren, dann können wir auch unseren Menschen keinen Lebensunterhalt mehr bieten. Aber gleichzeitig können wir auch kein Markt mehr sein für die Chinesen und die Tschechen - für sie wird das also auch nicht funktionieren. Es ist eine völlige Sackgasse.
Wir haben uns seit langem dafür eingesetzt, daß sich das ändert. Unsere Funktion im Wahlkampf war es immer, daß wir versuchten, eine Diskussion in der Bevölkerung zu katalysieren. Und der Wahlkampf hier in Wiesbaden katapultiert uns in eine perfekte Lage, um das tun zu können.
EIR: Und weil die Sozialdemokraten es versäumten, ihren Kandidaten rechtzeitig anzumelden, sind die Medien unter Druck, daß sie ihre bösartige Verschweigungstaktik nicht mehr verfolgen können, nicht wahr? Haben Sie mehr Zugang zu den Medien, um ihre Ideen zu verbreiten?
Hartmann: Ja, das war sogar recht lustig, denn nachdem sie es versäumt hatten, ihre Papiere rechtzeitig einzureichen, baten sie alle übrigen Kandidaten, auch mich, ihre Kandidatur zurückzuziehen, damit die Stadt aus Mangel an Kandidaten die Wahl neu ansetzen müßte, und sie dann ihren Kandidaten ordnungsgemäß anmelden könnten. Das ist das erstemal, daß ich gehört habe, daß es „demokratisch“ wäre, eine Wahl abzusagen, weil sie sagten, den Wählern müsse das „demokratische“ Recht gesichert werden, für einen SPD-Kandidaten zu stimmen. Wenn sie das nicht hätten, wäre es nicht „demokratisch“. Aber das ist nicht unsere Schuld... Die SPD ist ja nicht neu in der Politik, sie ist mehr als 130 Jahre alt.
EIR: Wieviele Kanzler stellte sie?
Hartmann: Nach dem Krieg waren es drei: Sie hatten Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder, und wenn man sie betrachtet, dann war Helmut Schmidt sicher der beste von ihnen, obwohl auch er seine Beschränkungen hatte. Aber in Deutschland hat jeder Kanzler seine große Beschränkung, nämlich, daß wir der Juniorpartner der Vereinigten Staaten sind. Wir sind also stark von dem betroffen, was in den USA geschieht, und es ist Teil meines Wahlkampfes, hier die gute Nachricht zu verbreiten, daß sich der Wind in Washington gedreht hat, und daß wir eine aktive Bewegung in den Vereinigten Staaten haben, die sich dafür einsetzt, Bush abzusetzen, Cheney abzusetzen, die Kriegspartei hinauszuwerfen, und eine neue Wirtschaftspolitik einzuführen. Denn vieles von dem, was die deutsche Regierung tut, reflektiert vor allem das, wovon sie weiß, daß die US-Regierung es von ihr erwartet.
Es war fast ein Wunder, daß sich Schröder 2002 entschieden hat, öffentlich zu erklären, daß er beim Irakkrieg nicht mitmachen würde. Das hatte es bis dahin nicht gegeben. Und das ist es, wodurch er die Wiederwahl gewann, trotz allem, was die Bevölkerung in den vier Jahren unter der rot-grünen Katastrophe zu leiden hatte.
Um sich die gegenwärtige Lage mit den Sozialdemokraten deutlich zu machen, bloß ein Beispiel: Wir haben hier in Hessen ein Kernkraftwerk, in Biblis, das seit über 30 Jahren in Betrieb ist und, gemessen in Kilowatt-Stunden, mehrere Weltrekorde bei der jährlichen Stromproduktion aufgestellt hat. Und nun erklärte die Kandidatin, die die SPD für die kommenden Wahlen als Ministerpräsidentin des Landes vorgesehen hat, eines ihrer Ziele sei es, dieses Kernkraftwerk stillzulegen, und es durch 1700 Windmühlen zu ersetzen.
Hartmann: Und wir haben in Deutschland schon jetzt fast so viele Windmühlen, beinahe so viel installierte Kraftwerkskapazität wie an Kernkraftwerken...
Hartmann: ... ungefähr 22 Gigawatt an Kernkraftwerkskapazität, und 17 Gigawatt an Windmühlen. Aber die laufen nur ein Siebtel der Zeit.
EIR: Ja, danach wollte ich fragen. In anderen Worten, wenn Sie durchs Land fahren, sehen Sie viele dieser Windmühlen in der Landschaft?
Hartmann: Nun, auf der anderen Seite des Rheins sind es sogar noch mehr. In Rheinland-Pfalz, wo es schon lange eine sozialdemokratische Regierung gibt, hat man noch viel mehr darauf gesetzt als in Hessen. Aber das will die SPD ändern.
Stellen Sie sich einmal vor, was geschehen würde, wenn ich in dieser Wahl in Wiesbaden mehr Stimmen erhalten würde als die Kandidatin der Grünen? Sie müssen wissen, die meisten dieser Politiker in der SPD sind nicht grün, weil sie grün sind, sie sind es, weil sie Opportunisten sind. Und sie würden dann spüren, daß der Wind sich dreht, und dann würde man wohl viele von ihnen treffen, die plötzlich entdeckten, daß sie eigentlich schon immer für die Kernkraft waren, und die Windmühlen schon immer für Unsinn gehalten haben. Etwa so wie in Ostdeutschland, da nannte man sie die Wendehälse, Leute, die sich nicht mehr daran erinnern können, daß sie jemals bei der SED gewesen wären, obwohl sie Parteifunktionäre waren!
EIR: Oh, ich würde gerne sehen, daß diese Opportunisten zu ihren wirklichen Wurzeln zurückkehren!
Hartmann: Ja, und das ist wichtig, denn die SPD ist Teil der Großen Koalition in Berlin. Und in der Wirtschaftspolitik kommt der Freihandelsanteil von der CDU, aber ein großes, sehr großes Problem ist, daß bei allen Infrastrukturmaßnahmen - da gab es bei den Konservativen Leute, die sagten, „wir müssen mehr in die Infrastruktur investieren“ - und das wird derzeit von den Sozialdemokraten blockiert.
Wenn man also eine Wende der SPD katalysieren könnte, dann wäre das also sehr wichtig, denn das würde viele wirtschaftliche Kräfte freisetzen, die derzeit zurückgehalten werden und die wir dringend brauchen, um unsere Industrie und unsere Infrastruktur wiederaufzubauen, aber auch das, was die Dritte Welt braucht. Wenn man in die 70er Jahre zurückgeht: Damals hatten wir einen Vertrag mit Brasilien, daß wir 12 Kernkraftwerke nach Brasilien exportieren würden!
Und 1977 wurden die entscheidenden Leute in Deutschland, die diese Politik vertraten, von den Terroristen der Roten Armee Fraktion umgebracht. Und die Folge war, daß alle diese Dinge abgesagt wurden.
Das war natürlich die Zeit der Regierung Jimmy Carter, Paul Volckers Politik, der sagte, wir brauchen eine „kontrollierte Desintegration der Weltwirtschaft“. Und schon davor hatten wir Kissinger, der in seinem Nationalen Sicherheits Studien-Memorandum 200 (NSSM 200) sagte, man müsse die Länder der Dritten Welt daran hindern, zu wachsen - sowohl hinsichtlich der Bevölkerung als auch in Bezug auf die Wirtschaft -, denn Amerika könne nur dann eine Supermacht bleiben, wenn es ungehinderten Zugriff auf die Rohstoffe dieser Länder habe.
Es war also eine geopolitische Politik, die Entwicklung der Dritten Welt zu verhindern. Wenn man sich heute in der Welt umschaut, und sieht, wo Kernkraftwerke gebraucht würden, um Trinkwasser zu erzeugen, und alle diese Dinge: Kernkraftwerke bauen sich nicht von alleine. Man braucht die qualifizierten Kapazitäten, sie zu bauen. Und Deutschland könnte der Welt diese Technologien liefern.
Und darum geht es auch in meinem Wahlkampf hier in Wiesbaden. Wiesbaden war - obwohl es heute eine Stadt mit einer Viertelmillion Einwohnern ist - neben diesen Industriezentren am Rhein immer ein Zentrum der Bürokratie. Es war seit 1806 Sitz der Nassauer Herzöge und dann der Sitz der Provinz Nassau, nachdem Bismarck Hessen erobert und annektiert hatte. Und es waren die Preußen, die die industrielle Entwicklung in dieser Region durchgesetzt haben. Die hiesige Oligarchie war schon immer dagegen.
Trotzdem haben wir hier in der Bevölkerung Erfindergeist: So wurde z. B. ganz in der Nähe, im Taunus, Nikolaus Otto geboren, der Erfinder des Ottomotors. Da war, wie schon gesagt, Heinrich Albert. Auch Dyckerhoff war wichtig für die Entwicklung der Zementindustrie. Später war da Fresenius, heute ein Konzern mit 60.000 Beschäftigten im medizinischen Bereich. Es gibt ein großes Potential.
Mein Vorschlag ist, den Charakter von Wiesbaden zu ändern, indem wir hier eine Universität gründen, eine Technische Universität, um die Welt fit zu machen für die nächsten 50 Jahre. Einer der offensichtlichen Bereiche dafür ist das, was wir die „Isotopengesellschaft“ nennen würden, d.h., daß wir die Kernprozesse der Transmutation studieren und in den Griff bekommen, bei denen ein Element in kontrollierter Weise in ein anderes verwandelt wird. Wenn wir dann z. B. Atommüll wie z. B. Plutonium, das eine Halbwertszeit von 20.000 Jahren hat, loswerden wollen, dann können wir es einfach in ein anderes Element umwandeln, das nur noch eine Halbwertszeit von 90 Jahren hat, so daß es viel leichter ist, damit umzugehen. Wir können anfangen, diese Prozesse zur Entwicklung von Rohstoffen aus dem zu benutzen, was wir vor Ort vorfinden, aber derzeit nicht nutzen können. Anstatt durch die Welt zu gehen und Rohstoffe zu suchen, um die wir dann Kriege führen, können wir Technologien entwickeln, um sie aus dem zu erzeugen, was wir hier haben.
Darin liegt die Zukunft der Menschheit. Und indem wir diese Herausforderung annehmen und eine solche Universität hier in Wiesbaden aufbauen, können wir Wiesbaden zu einer Stadt machen, die der übrigen Welt wirklich nützt.
EIR: Großartig! - Ich hasse es, zum Negativen zurückzukehren, aber was Sie da sagen, bedeutet soviel für die Menschen in anderen Teilen der Welt, seien es auf den Philippinen oder in anderen Ländern, die erlebt haben, wie ihren Heimatländern in den letzten 40 bis 50 Jahren des nachindustriellen Durcheinanders so viel Schaden zugefügt wurde.
Ist das auch in Wiesbaden so, oder in anderen Teilen Hessens? Hat man dort auch diese Taschenspielertricks erlebt, wo private Interessen herkommen und nicht nur industrielle und kommerzielle Betriebe, sondern auch Wohnungen, die Wasserversorgung und andere Versorgungsbetriebe aufgekauft haben? Man nannte das früher Privatisierung, jetzt nennt man es "öffenlich-private Partnerschaften". Leute wie Felix Rohatyn tun sich da hervor, transatlantisch - früher war es Lazard, heute auch Lehman Brothers. Gab es das bei Ihnen auch so viel? Wir sehen hier, wie die arme Stadt Chikago ihre Stadtautobahn verkauft, ihre Parkhäuser. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Hartmann: Nun, in bestimmten Bereichen gibt es das auch in Deutschland. Aber hier in Deutschland gibt es da einige selbstsame Varianten. Beispielsweise hier in Hessen. Vielleicht wissen Sie, daß wir hier in Deutschland ein bundeseigenes Eisenbahnsystem haben, die Deutsche Bahn. Sie betrieb das deutsche Einenbahnnetz, und nur in einigen abgelegenen Gebieten gab es Touristenbahnen, die noch mit Dampfantrieb fuhren. Das war die Art von Eisenbahnen, die privat betrieben wurden.
Nun hat das Land Hessen ein Unternehmen gegründet, das rechtlich betrachtet wie ein privates Unternehmen geführt wird. Es ist im Staatsbesitz, aber es wird geführt wir ein Privatbetrieb. Und bei den Ausschreibungen - das ist etwas, was die Europäische Union eingeführt hat - da müssen die großen Eisenbahnunternehmen sich um eine Lizenz bewerben, um bestimmte Linien zu betreiben. Und dieses neugegründete Staatsunternehmen unterbot die Preise der übrigen Unternehmen, und das finanzierten sie, indem sie ihren Beschäftigten 300 Euro monatlich weniger bezahlten.
EIR: Sie haben also die Gehälter ihrer Belegschaft gekürzt, um die Eisenbahn zu betreiben.
Hartmann: Ja, indem sie eine neue Firma gründeten. Es ist hier nicht so wie in den Vereinigten Staaten, wo die Unternehmen Gewerkschaften aus ihren Betrieben ausschließen können. Wir haben Betriebsräte, das ist gesetzlich garantiert. Aber es gibt andere Tarifverträge zwischen den Gewerkschaften und dem Staat. Und indem sie ein neues Unternehmen gründeten, haben sie den Rahmen des Tarifvertrags verlassen, sodaß sie in der Lage waren, niedriger zu bieten. Das wurde von Hessens Ministerpräsident Roland Koch gemacht, der übrigens ein guter Freund von Tommy Thompson ist...
EIR: Oh! Tommy Thompson aus Wisconsin?
Hartmann: Ja, richtig. Er wirbt hier für das Sozialmodell des früheren Gouverneurs von Wisconsin, das Wisconsin-odell. Damit zwingt man die Menschen, zu arbeiten: Wenn sie nicht bereit sind, zu arbeiten, dann bekommen sie keine Sozialhilfe. Der kleine Nachteil ist nur, daß es keine Jobs gibt, die sie annehmen könnten! Es geht also nur darum, die Sozialhilfe einzusparen.
Und aus dem Büro dieses Herrn Koch kommt Herr Müller, der hier jetzt Stadtkämmerer ist und jetzt für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert. Er ist dafür verantwortlich, daß hier dasgleiche auch mit dem Bussystem gemacht wurde, wobei hier zur Unmoral noch das Komische kommt: Sie verkauften den Busbetrieb zur Hälfte an die Verkehrsbetriebe der Stadt Hamburg, die ebenfalls von der CDU regiert wird. Und dann bezahlten die Verkehrsbetriebe von Hamburg ihren Anteil zum Teil mit Bussen. Aber Hamburg liegt in flachen Land, und Wiesbaden ist hügelig. Und die Busse aus Hamburg kamen die Berge nicht hinauf.
EIR: Oh! Mußten die Passagiere aussteigen und laufen, und vielleicht schieben helfen?
Hartmann: Nun, alle haben über die Geschäftsführung des Unternehmens gelacht. Aber wer war dafür verantwortlich, diese Leute einzustellen? Es ist die Ideologie, die Ideologie des Freihandels, in den Bereich eines öffentlichen Betriebes eingeführt. Und bei der Vergabe der Lizenzen haben sie die privaten Firmen, die vorher Lizenzen hatten, unterboten.
EIR: ist wirklich Schwindel...
Hartmann: Ja, sicher. Und das ist etwas, was wir im Wahlkampf auf den Tisch bringen und diskutieren werden.
Ansonsten haben wir in Wiesbaden natürlich andere Fälle. So war hier in Wiesbaden der Sitz der Linde-Gruppe, eines der weltweit führenden Gasproduzenten für industrielle und medizinische Zwecke. Und sie haben mit einem britischen Unternehmen fusioniert, und jetzt wird der Konzernsitz nach München verlegt. Sie haben auch Gabelstabler produziert, und der Zweig der Firma, der sie produziert, bleibt hier, aber er wurde an einen dieser Hedgefonds verkauft. Kurz zuvor hatte Linde seine Kühlsystem-Abteilung geschlossen. Carl von Linde war der Erfinder der Kühltechnik, auch er arbeitet hier in Wiesbaden. Das war vor über 100 Jahren. Und jetzt ist dieser Teil der Firma, im vorigen Jahr, geschlossen und nach Tschechien verlegt worden.
EIR: Wenn Sie so in diese Details gehen, das wirkt dem entgegen, was Sie vor der Show erwähnt haben, der pessimistischen Sicht, daß niemand sich darum kümmern wird, die Industrie wieder aufzubauen. Das ist die eine Ebene, und da gibt es noch tiefer liegende Ebenen. Sie haben vom Pessimismus gesprochen, wenn die Menschen die Kriegsgefahr sehen, wenn sie solche Leute wie Bush und Cheney in Washington an der Macht sehen. Aber sie sprachen davon, das alles zu ändern.
Hartmann: Ja. Das hat historische Dimensionen. Als Albert beispielsweise in den 1860er Jahren hier sein Unternehmen gründen wollte, erhielt er dafür keine Genehmigung von den Herzögen von Nassau. Tatsächlich haben sie die Industrialisierung Wiesbadens verhindert. Erst nachdem Bismarck das Land erobert hatte, war industrielle Entwicklung preußische Politik, und deshalb wurde Wiesbaden groß. Unter den Nassauern hatten wir nur 26000 Einwohner, jetzt sind es zehnmal soviele.
EIR: Mann sollte also seine Felder bestellen und weben und tanzen...
Hartmann: Ja. Und diese Familien, diese reichen, oligarchischen Familien sind immer noch da. Die regierende Familie von Nassau, die von Bismarck abgesetzt wurde, erbte später das Großherzogtum Luxemburg. Der heutige Großherzog von Luxemburg wäre noch heute Herzog von Nassau, wenn er nicht abgesetzt worden wäre.
EIR: Nun einige von unseren Hörern in New York werden vielleicht die Ironie bemerken, daß Nassau auf Long Island nach dieser Familie benannt ist, direkt nach den Wiesbadenern, oder nach denen in Luxemburg oder anderswo.
Hartmann: Ja, auch Nassau auf den Bahamas... (Gelächter.)
EIR: Der Name hat also seine Spuren hinterlassen, aber Sie versuchen, zur großen industriellen und erfinderischen Geschichte zurückzufinden und das wieder zum Lebensstil zu machen.
Hartmann: Das ist richtig.
EIR: Wir haben gehört, daß die BüSo, die Partei, die vor Jahren von Helga Zepp-LaRouche und anderen wie Ihnen gegründet wurde, entsprechende Erklärungen in großer Auflage zirkuliert. Frau LaRouche hat gerade eine neue herausgegeben, in der sie sagt, es bestehe Hoffnung für das neue Jahr, wegen der Aussicht auf Änderungen hier in Washington. Die haben Sie in ihrem Wahlkreis verbreitet?
Hartmann: Ja, wir verbreiten sie überall im Land. Ein großer Teil unserer Aktivitäten findet übrigens in der Bundeshauptstadt Berlin statt. Wir haben dort viele junge Leute, vergleichbar mit dem, was Sie in Washington tun.
EIR: Richtig, das haben Matthew Ogden und Meghan Beets vorhin gesagt, bevor sie weg mußten.
Hartmann: sie verbreiten die Nachricht dort, und wir tun es hier. Wo immer wir sind, und das ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Faktor, die Menschen zu Remoralisieren.
Denn ein Teil der Demoralisierung der Menschen hier beruht darauf, daß sie nach Amerika sehen, und sie sehen: "Sie haben Bush gewählt, und sie haben Bush wiedergewählt, nach all dem, was er verbrochen hat." Ich denke, ähnliche Gefühle gibt es auch in Amerika. Aber hier in Deutschland sind wir die Oligarchie nie wirklich losgeworden, deshalb sehen sich die Menschen nicht wirklich als Bürger, sondern als Untertanen. Und es ist wichtig zu betonen, daß ich, wenn ich gewählt werde, nicht der Meister der Untertanen bin, sondern der Meister der Bürger, und dieser Oberbürgermeister wird gewählt. Ich bin der Vertreter der Bürger, und es ist meiner Meinung nach wichtig, es in diesem Geiste zu sehen.
Und mit dem Wandel in Washington: Wir sehen, daß da eine neue Mehrheit im Kongreß ist, und daß sich einige dieser Leute bewegen. Aber es gibt hier noch viele, die eine Haltung des "abwarten zu sehen" haben, und nicht an eine Absetzung von Bush glauben werden, bevor sie tatsächlich stattgefunden hat. Aber wenn das geschieht, dann wird dies auch hier in Europa wirklich viele positive Kräfte freisetzen.
EIR: Nun, Sie hatten das perfekte Schlußwort für diese Stunde. Ich danke Ihnen, Alexander Hartmann, Ich möchte, daß Sie wieder in unsere Sendung kommen, wenn Sie Bürgermeister von Wiesbaden geworden sind, und ich hoffe auch, daß wir Helga Zepp-LaRouche schon bald im neuen Jahr gefür gewinnen können, diese Diskussion fortzusetzen.
Hartmann: Das hoffe ich auch.
EIR: Vielen Dank, und ein gutes neues Jahr!
Hartmann: Das wünsche ich Ihnen auch.
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