Die große, alte Dame der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, Amelia Boynton Robinson, hat oft die folgende Anekdote aus ihrem Leben erzählt: Einmal sollte sie in einem Fragebogen angeben, welcher Rasse sie angehöre. Selbstbewußt strich sie alle vorgegebenen Kategorien aus und trug "menschlich" als Antwort ein.
Fragebögen, Gesinnungs- oder gar Gewissenstests, Ver- und Gebote zu Kleidungs- und Sprachgewohnheiten sind Ausdruck einer tiefgehenden Verunsicherung unserer Gesellschaft. Sie sagen mehr über unsere gesellschaftlichen Institutionen als über die Geprüften aus. Wir leben in einer Welt, die aus dem Lot geraten ist. Das internationale Völkerrecht wird im Namen von Demokratie und Freiheit mit Füßen getreten. Die jahrelange Jagd nach dem schnellen Geld bricht sich aktuell in einer Inflationsflut à la Weimar Bahn. Und die Geilheit auf billigen Geiz macht immer mehr Menschen weltweit zu Sklaven von immer rücksichtsloser und ungezügelter operierenden Finanzsyndikaten. Und dann wundern wir uns, wenn Jugendliche wütend zu rebellieren beginnen, wie in französischen Ghettos oder an Schulen wie in Berlin-Neukölln?!
Die jetzige Krise, die sich natürlich auch auf das Zusammenleben zwischen Menschen mit unterschiedlichem, kulturellem Hintergrund auswirkt, kann nur gelöst werden, wenn wir die einfachen, aber grundlegenden Fragen wieder stellen und beantworten können: Wer sind wir als Menschen, was ist die einzigartige Qualität der menschlichen im Unterschied zu allen Tiergattungen? Wirkliche Integration kann nur da gelingen, wo die Suche nach den universellen Prinzipien im Mittelpunkt steht, die allen Menschen gemeinsam sind. Dazu soll auch diese Veranstaltung beitragen, auf der eine Reihe großer türkischer und deutscher Dichter zu Wort kommen werden.
Unter diesem Titel - einer Zeile aus einem Gedicht von Yunus Emre - setzen wir den Dialog der Kulturen fort, den wir im Jahr 2000 mit Rezitationsprogrammen zu Goethes "West-Östlichem Divan" und Friedrich Rückert begonnen haben.
Die Dichterpflänzchen laden Sie zu einer poetischen Reise in die Türkei ein. Die türkische Dichtung führt, obwohl im 19. Jahrhundert erforscht, in Deutschland leider das Dasein eines "Mauerblümchens". Wie abwechslungsreich, innig und bedeutend die türkische Poesie ist, wollen wir auf unserer poetischen Reise aufzeigen. Im Dialog werden türkische und deutsche Poeten ihre Werke und ihre Ideenwelt präsentieren. Der erste Besuch gilt dem wohl bekanntesten und ersten türkischen, mystischen Dichter Yunus Emre. Auch einige seiner Nachfolger, die sich der Volksdichtung widmeten, werden wir aufsuchen und bei den Hofdichtern der Tulpenzeit in Istanbul vorbeischauen. Und wir werden sehen, wie die türkischen Dichter im 19. Jahrhundert wieder an klassische Vorbilder anknüpften. So wollen wir neugierig machen, den anderen kennenzulernen, und den "Dialog der Kulturen" mit Inhalt füllen.
Die meisten türkischen Gedichte werden Sie in deutscher Übertragung von Annemarie Schimmel oder Hammer-Purgstall hören. Zu Wort kommen u.a. Yunus Emre, Franz von Assisi, Süleyman Celebi, Hacci Bayram, Hamdi, Johann Wolfgang Goethe, Mihri Hatum, Sultan Selim, Nedschati, Kaygusuz Abdal, Eugen Roth, Pir Sultan Abdal, Baki, Kul Mustafa, Cafer Celebi, Asil Hasan, Nedim, Ibrahim Hakki Erzurumlu, Yahya Kemal Beyatli, Salahattin Batu, Gültekin Samanoglu und Orhan Velia Kanik. Die Rezitationen werden musikalisch umrahmt.
Zurück zur Dialog-Hauptseite: