März 2006:

Versöhnung durch Poesie

Plakat über die BüSo-Kulturveranstaltung
Ein politischer Vortrag Helga Zepp-LaRouches und ein Rezitationsprogramm über den großen Übersetzer und Dichter Friedrich Rückert wurden in Wiesbaden von Deutschen und Ausländern begeistert aufgenommen.

Hier das Plakat, das in vielen Gegenden Wiesbaden und darüber hinaus in Geschäften und auf Plakatträgern angebracht wurde. Werner Hartman berichtet.

Etwa 80 Mitglieder und Gäste der BüSo versammelten sich am Sonntagnachmittag, dem 19. März, im Rahmen des Kommunalwahlkampfes in Wiesbaden zu einer außergewöhnlichen Veranstaltung zum Dialog der Kulturen. Daß man kurzfristig in einen anderen Raum umziehen mußte, tat dem Erfolg der Veranstaltung keinen Abbruch.

Wie in der Einladung angekündigt, hatte die Wiesbadener BüSo diesmal zwei besondere Gäste: die BüSo-Bundesvorsitzende Helga Zepp-LaRouche und - sozusagen im Geiste anwesend - den Meister der poetischen Übersetzung, Friedrich Rückert (1788-1866). Etwa ein Drittel der Zuhörer waren Ausländer, darunter Vertreter der Muslimischen Gemeinden und des Ausländerbeirats von Wiesbaden.

Helga Zepp-LaRouche beschrieb in ihrer 45minütigen Rede die Hintergründe des "Kampfs der Kulturen", den die Neokonservativen heute mit der Irankrise, dem Karikaturenstreit etc. anstiften wollen. Seit der Zeit des Untergangs der Sowjetunion 1989-91 gebe es Bestrebungen, die Vereinigten Staaten in eine Art Weltreich zu verwandeln, obwohl das der Tradition der USA als Republik völlig zuwiderlaufe. Andere Kulturen, angefangen mit dem Islam, sollen nach dem Kommunismus zum neuen Feindbild aufgebaut werden. Zepp-LaRouche schilderte den Kampf ihres Ehemannes Lyndon LaRouche gegen diese neokonservativen Kriegstreiber in den USA und England.

Sie betonte, der Frieden unter den Religionen und Kulturen hänge eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Not fielen ausländerfeindliche Parolen vom "Zusammenprall der Zivilisationen" auf fruchtbaren Boden. Gäbe es jedoch Arbeit und Wohlstand für alle, hätten diese keine Chance.

Für einen wahren Dialog müsse man nach den tiefsten, edelsten Ideen in allen Kulturen suchen. Solche Grundideen könne man tatsächlich in allen großen Weltkulturen wie Islam, Christentum, Judentum, Hinduismus, Konfuzianismus finden. Ein guter Ratgeber dafür sei die Schrift De pace fidei (Über den Frieden im Glauben) des Nikolaus von Kues - eine Reaktion auf die Gefahr eines "Kampfs der Kulturen" im 15. Jahrhundert. Kues läßt darin das "Göttliche Wort" sagen, der Streit entstehe nur daraus, daß man die äußeren Unterschiede der Religionen, ihre Traditionen, Propheten usw., mit der eigentlichen, wahren Religion dahinter verwechsele.

"Weltpoesie ist Weltversöhnung"

Die "Dichterpflänzchen", der Poesiekreis im Schiller-Institut in Wiesbaden, stellten dann über eine Stunde lang mit Poesie und Musik das Werk Friedrich Rückerts vor. Der außergewöhnlich begabte Dichter beherrschte 40 Sprachen, von denen er sich viele selbst beibrachte. Rückert war der Überzeugung, daß die deutsche Sprache besonders gut dazu geeignet ist, dichterische Werke aus anderen Sprachen zu übertragen, und bewies dies selbst praktisch mit seinen unzähligen Übersetzungen. Ein Wort aus einem seiner Gedichte diente der Veranstaltung als Motto: "Weltpoesie allein ist Weltversöhnung".

Die Rezitatoren Ulla Apel, Gabriele Liebig und Lutz Schauerhammer entführten die Zuhörer mit Rückerts Gedichten auf eine Reise in den Vorderen Orient (Türkei, Persien) und weiter bis nach Indien und China. Sie berichteten über Rückerts Auseinandersetzung mit den großen Werken und Poeten verschiedener Sprachkulturen und trugen Gedichte von Hafis, Saadi und Rumi vor, dazu eine Sure aus dem Koran und Sanskrit-Sprüche sowie eigene Gedichte Rückerts, die oft von der fremden Poesie angeregt waren.

Ein Gedicht von Saadi (gest. 1292), übersetzt von Rückert:

O ihr Geborenen eines Weibes -
Seid ihr nicht Glieder eines Leibes?
Kann auch ein Glied dem Weh verfallen,
Daß es nicht wird gefühlt von allen?
Du, den nicht Menschenleiden rühren,
Kannst auch den Namen Mensch nicht führen.

Rückert befaßte sich gerne mit geistlichen Themen und mit der Liebe zwischen Menschen und zu Gott. Aber er nahm auch ironisch menschliche Schwächen aufs Korn. So behandelt ein Gedicht die praktischen Tücken der Begegnung der Kulturen. Der Dichter will nach Konstantinopel reisen und kleidet sich dafür typisch türkisch ein - nur um vor Ort festzustellen, daß die Stadt ein buntes Gewimmel von Menschen aus aller Herren Länder ist und die Türken selbst ganz europäisch gekleidet sind. Abschließend fragt sich der Dichter (unterm herzlichen Lachen der Zuhörer): "Was spielst du, Narr, im Morgenlande / den einz'gen Morgenländer?"

Neben den Gedichten und Erläuterungen trugen die Dichterpflänzchen Lieder und Duette von Franz Schubert und Robert Schumann nach Gedichten Rückerts vor, die alle aus dessen Gedichtsammlung Liebesfrühling stammten. Einen tiefen Eindruck hinterließ Schuberts Lied Du bist die Ruh, vorgetragen von Lotta-Stina Thronell-Hartmann (Sopran), bei dessen Text sich Rückert von persischer Poesie hatte anregen lassen.

Umrahmt wurde das Programm zusätzlich von Instrumentalmusik von Mozart, Vivaldi und Scarlatti, die BüSo-Kandidaten auf der Geige, der Gitarre und dem Klavier vortrugen.

In der abschließenden Diskussion dankte ein Vertreter der Muslimischen Gemeinde den Veranstaltern dafür, daß sie sich in dieser Weise um den Dialog der Kulturen bemühen. Mehrere Gäste erklärten, daß sie selbst zukünftig aktiv mitarbeiten wollen. Wegen der knappen Zeit beschloß man, ab der folgenden Woche in weiteren Treffen das Gespräch fortzusetzen.

Dies war sicherlich ein Beispiel für einen gelungenen politisch-poetischen "Dialog der Kulturen", wie er in allen deutschen Städten stattfinden sollte.


Ein Lehrer lehrt dich, daß es keine Wahrheit gäbe,
Und gäb' es eine, sie doch unerkennbar schwebe,

Und wenn erkennbar, sei sie doch nicht mitzuteilen.
Was kann den Lehrling vom dreifachen Zweifel heilen?

Des Lehrers Lehre selbst, die er als wahr ausspricht;
Denn, seiner Lehre nach, ist sie auch Wahrheit nicht.

Nun wenn nicht dies, so ist das Gegenteil denn wahr,
Daß eine Wahrheit ist erkenn- und mitteilbar.

Aus Friedrich Rückerts Gedichtsammlung "Weisheit der Brahmanen"


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