September 2003:
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Sommerakademie des Schiller-Instituts

Sommerakademie 2003 in Frankfurt 250 Mitglieder und Freunde des Schiller-Instituts, unserer "Ideenschmiede", kamen am 16./17. August zu einem ideenreichen Wochenende, der alljährlichen Sommerakademie, zu dem auch die BüSo-Landesverbände einladen, in Frankfurt zusammen.

Das Schiller-Institut veranstaltete am 16. und 17. August in Frankfurt seine diesjährige Sommerakademie. Dabei setzte sich ein Trend fort, der sich schon im letzten Jahr abzeichnete: Der Anteil an jugendlichen Teilnehmern steigt immer weiter an. Diesmal war genau die Hälfte der 250 Konferenzteilnehmer Mitglied oder Sympathisant der "LaRouche-Jugendbewegung", die mit einem "pädagogischen Festival" einen wesentlichen Teil der Konferenz selbst organisierte (siehe Artikel in dieser Ausgabe). In ihrem Schlußwort ging Helga Zepp-LaRouche auf eine "historische" Besonderheit der Veranstaltung ein, die sehr schön verdeutlicht, wie sich Jung und Alt im Schiller-Institut zusammenfinden. Der Raum, in dem die Sommerakademie stattfand, war nämlich zufällig genau der gleiche, in dem 1974 die erste große Europäische Konferenz des ICLC - d.h. der Mutterorganisation des Schiller-Instituts - stattgefunden hatte.

Damals hatte man diskutiert, wie eine gerechte Weltordnung zu schaffen sei, ein Ziel, das auch im Gründungsdokument des Schiller-Instituts verankert ist. Der Kampf für diese gerechte Weltordnung ist das Einende. Das Besondere an der Jugendbewegung unterstrich Lyndon LaRouche in seiner Rede: "Diese Jugendbewegung unterscheidet sich von allen anderen Jugendbewegungen, die es im Verlauf der letzten hundert Jahre gab... Die Menschen kennen nicht mehr den Unterschied zwischen Mensch und Tier! Sie haben darüber lediglich eine Meinung", aber kein Wissen. Der Mensch könne schöpferische Entdeckungen machen. Aber man müsse weitergehen "und diese Entdeckungen benutzen, um die Art und Weise, wie das Universum wirkt, zu verändern. Dann bist du Mensch! Und das ist es, was die Gesellschaft ausmacht." Und genau das müsse die Grundlage der Politik sein.

Die Gesetze des Geistes

Eröffnet wurde die Sommerakademie mit dem Vortrag "Die Gesetze des Geistes" von Helga Zepp-LaRouche, worin anhand von Johann Friedrich Herbarts Gedanken gezeigt wurde, wie jeder Mensch seine kognitiven und emotionalen Fähigkeiten entwickeln kann. Aus der modernen, hauptsächlich auf Sigmund Freuds Thesen aufbauenden Psychologie könne man hingegen gar nichts lernen, da diese auf dem Romantiker E.T.A. Hoffmann aufbaue und vorgaukele, man müsse sich mit psychischen Problemen nur abfinden, statt sie zu beheben. Herbart hingegen sei der wirkliche Begründer der Psychologie als Wissenschaft, d.h. der Erkenntnis, wie man die geistigen und seelischen Kräfte des Menschen entwickeln kann. Sein grundlegendes Werk ist das 1825 erschienene Buch "Psychologie als Wissenschaft, neu gegründet auf Erfahrung, Metaphysik und Mathematik". Herbart wandte sich gegen das empiristische und materialistische Dogma, wonach die Prozesse in der menschlichen Seele von den Sinneswahrnehmungen bestimmt seien, aber auch gegen Kants "a priori"-Anschauungen von Raum und Zeit, die laut Herbart nichts als "leere Formeln" seien, da es keine Vernunft vor den Begriffen gibt. Herbart untersuchte die gesetzmäßige Entwicklung der Kraft jeder Vorstellung der Seele und der Hemmung, die deren Entwicklung entgegenwirkt, sowie die Verbindung dieser Vorstellungen in der Zeitfolge zu Vorstellungsreihen, welche sich selbst wieder zu neuen, noch komplexeren Geweben von Vorstellungsreihen verknüpfen.

Diese Gedanken griff Bernhard Riemann auf, als er sein Konzept der Geistesmassen formulierte. Die tiefe mathematische Bedeutung der Riemannschen Fläche kann man nur auf der Grundlage dieses Konzeptes verstehen, denn nur dann erkennt man den hochentwickelten Begriff von Mathematik, den Riemann besaß. Lyndon LaRouche legte das bereits Mitte der 80er Jahre in seinem Aufsatz "Why Poetry must supercede Mathematics in Physics" dar. Wer als welthistorisches Individuum handeln wolle, der müsse sich mit wissenschaftlicher Strenge das Vorbewußte seines Denkens und Handelns bewußt machen und so seine schöpferischen Fähigkeiten adäquat verbessern. Naturforschung, klassische Musik und Poesie seien die Mittel, mit denen wir unser "Empfindungsvermögen entwickeln" können, wie Schiller es in den Ästhetischen Briefen darlegte. Und Herbart, der Schiller von Jugend an verehrte, und ihn während seiner Studienzeit in Jena persönlich kennengelernt hatte, machte die "ästhetische Darstellung der Welt" im Schillerschen Sinne zur Grundlage von Erziehung und psychologischer Wissenschaft.

Die Lage heute

Unter dem schlichten Titel "Die Lage heute" spannte der folgende Vortrag von Lyndon LaRouche einen historischen Bogen von der Amerikanischen Revolution und dem Scheitern der Französischen Revolution, über den Kampf zwischen Franklin D. Roosevelt und den synarchistischen Tendenzen hinter Harry Truman im Verlauf des Zweiten Weltkriegs, bis hin zur heutigen Situation, in der durch die in der Regierung Bush wirkenden Kräfte die Gefahr eines globalen asymmetrischen Atomkriegs heraufbeschworen wird. Lyndon LaRouche begann seine Rede damit, daß er nun über die Weltlage genau so sprechen werde, wie er es tun müßte, wenn er der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten wäre. Die Realität in den USA lasse sich durch zwei Dinge charakterisieren: den gerade erfolgten Zusammenbruch des Stromnetzes, von dem 50 Millionen Menschen betroffen sind, und die Gouverneurskandidatur Arnold Schwarzeneggers, eines früheren "Mr. Universum" und intellektuellen Fliegengewichts, der als Politiker Kalifornien aus der Krise führen soll. Von diesem Paradox ausgehend, entwickelte LaRouche, wie die Vereinigten Staaten von dem, was Lafayette einst als "Leuchtturm der Hoffnung" bezeichnete, zu einer Gesellschaft verkamen, die auf Kosten der ärmsten Länder lebt und sich dabei selbst ruiniert, weil die Arbeiter im eigenen Land gegenüber den ausgebeuteten "Billiglohnländern" angeblich "zu teuer" seien. Doch das gelte nicht nur für die USA - in Deutschland z.B. habe das Phänomen der Grünen Wirtschaft und Gesellschaft ruiniert. LaRouche fragte die Anwesenden, ob die Deutschen wirklich lieber in einer "Dosenpfandgesellschaft" leben wollten, statt einen produktiven Beitrag zur Entwicklung der Welt zu leisten.

Im weiteren erläuterte LaRouche die wesentlichen Charakteristika der historischen Entwicklung, die uns in diese Misere gebracht hat. Er legte dar, wie man den Zweiten Weltkrieg in der Perspektive der Auseinandersetzung sehen muß, die mit der erfolgreichen Amerikanischen Revolution begann, deren Wiederholung in Frankreich, dem damals am weitesten entwickelten Land Europas, durch Lord Shelburnes Agenten und die Sekte der Martinisten verhindert wurde. Dies brachte Napoleon an die Macht, den ersten Faschisten der modernen Geschichte. Und diese faschistische Politik wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter dem Begriff des Synarchismus fortgeführt. Aber 1940 gelang es im Verlauf des Zweiten Weltkrieges, dieses Projekt eines universellen Faschismus (das damals nicht nur von den Machthabern in Italien, Deutschland und Spanien, betrieben wurde, sondern auch in Großbritannien und den USA mächtig Fürsprecher hatte) durch Roosevelts Intervention zu stoppen. Aber schon unter dessen Nachfolger Truman begann die Finanzelite, das diskreditierte Synarchismus-Projekt wieder hoffähig zu machen. Um in die heutige Situation politisch intervenieren zu können, müsse man diese wesentliche Entwicklung verstehen, und das, so betonte LaRouche, sei auch der Grund, warum das von ihm initiierte Pamphlet gegen Leo Strauss und seine geistigen Zöglinge in der Bush-Regierung eine so durchschlagende Wirkung habe.

Um das Steuer in dieser verfahrenen Situation für die Zukunft herumzureißen, müsse die Bevölkerung durch die "LaRouche-Jugendbewegung" transformiert werden. Das könne nur gelingen, wenn die Bevölkerung aus dem Zustand der "Schwarzenegger-Fiktion" befreit werde und jeder als Individuum ein wissenschaftliches Selbstverständnis erlangt, wenn jeder z.B. versteht, wie Kepler die allgemeine Gravitation als universell wirkendes Prinzip entdeckte, d.h. als ein Prinzip, daß kein sinnlich wahrnehmbares Objekt ist. Oder das Verständnis der physikalischen Realität der Komplexen Ebene, oder der Riemannschen Fläche. Überhaupt müsse jeder die Fähigkeit erwerben, solche universellen Prinzipien als Objekte zu erkennen. Das sind nicht Sinnesobjekte, sondern Objekte schöpferischen Denkens. Womit Lyndon LaRouche implizit an das erinnerte, was seine Frau zuvor am Beispiel Herbarts entwickelt hatte.

Im Anschluß an LaRouches Vortrag entwickelte sich eine lange und muntere Diskussion über die verschiedensten Fragen. Warum man zum Beispiel den Mars kolonisieren solle, wo es doch auf der Erde alles gäbe, ob Schachspielen die schöpferischen Fähigkeiten fördere oder nicht, wieso die Welt "die beste aller Welten" sei, was Ironie mit schöpferischem Denken zu tun habe und viele weitere solcher Fragen und Antworten, welche die Sommerakademie so interessant machen, daß man immer wieder hinkommen möchte. Diese Diskussion ging dann am Abend in das bereits erwähnte pädagogische Festival über.

Von Bach und Mozart lernen, doch Wagner meiden

Der Sonntag begann mit drei Vorträgen, in denen gezeigt wurde, wie man die eigenen schöpferischen Fähigkeiten durch die Beschäftigung mit klassischer Musik entwickeln kann. Karl-Michael Vitt stellte auf recht einfache, aber eindrucksvolle Weise dar, "Was wir von J.S. Bach lernen können", indem er die Kompositionsprinzipien einer Fuge erklärte, die er gerade nach dem Vorbild Bachs komponiert hatte. Ähnlich wie Maler durch das Kopieren großer Meisterwerke zu einem tieferen Verständnis der Technik und Kompositionsprinzipien gelangen, könne man durch derartiges "Nachkomponieren" die Genies der klassischen Musik verstehen lernen.

Ortrun Cramer stellte danach vor, wie mit der "Operation Wagner" genau diese wissenschaftliche Kompositionsmethode durch die Romantik gründlich ruiniert wurde. Sie demonstrierte darüber hinaus die Verbindung Wagners und des Wagnerkults mit den Nazis, und indem sie ihren Vortrag mit einer Gegenüberstellung von Heldenfiguren der Wagner-Opern und verschiedenen Rollen Arnold Schwarzeneggers beendete, machte sie jedem im Saal deutlich, daß es sich hier nicht nur um ein Problem aus vergangener Zeit handelt.

Um die Geister nach diesem Schock wieder zu erheben, erklärte Anno Hellenbroich abschließend "Was wir von Mozart lernen können". Er demonstrierte anhand weniger Ausschnitte aus Mozarts Requiem in d-moll (Mozarts "musikalischem Testament"), welcher Ideenreichtum der geniale Komponist in größter Strenge und auf engstem musikalischen Raum entwickelt. Besonders beeindruckend war, wie der Chor und das Orchester des Schiller-Instituts diese Entwicklung durch die praktische Aufführung von "Dies Irae" und dem Anfang des "Lacrimosa" vor dem geistigen Ohr der Zuhörer entstehen ließ. Da man diesen Eindruck verbal nicht vermitteln kann, empfehlen wir dem Leser die MP3-Datei, die von diesen Vorträgen erstellt wurde, unter www.schiller-institut.de/ffm/ im Internet anzuhören.

Der Krebs-Nebel und komplexe Zahlen

Im Anschluß beleuchtete Dr. Jonathan Tennenbaum mit seinem Vortrag "Der Krebs-Nebel und komplexe Zahlen" die Frage schöpferischen Denkens aus naturwissenschaftlichem Blickwinkel, indem er anhand der astronomischen Anomalien, welche dieser mit den verschiedensten technischen Mittel darstellbare Krebs-Nebel aufweist, demonstrierte, wie sich der Mensch vom Tier unterscheidet. Eine Anomalie besteht darin, daß es im Krebs-Nebel Prozesse gibt, sie sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit auszubreiten scheinen, was nach dem heutigen Stand der Physik nicht sein darf. Tiere können den Krebs-Nebel nicht einmal sinnlich wahrnehmen. Nur der Mensch kann durch verschiedene Teleskope, die in den unterschiedlichsten Wellenlängenbereichen des elektromagnetischen Spektrums arbeiten, dieses Objekt überhaupt genauer betrachten. Die Gegenüberstellung von vier verschiedenen Bildern des Krebs-Nebels, die mit vier verschiedenen technischen Methoden erstellt worden waren und ganz verschieden aussahen, erschütterte gründlich das Vertrauen in die Gewißheit der sinnlichen Wahrnehmung.

Doch der Mensch kann nicht nur Objekte wie den Krebs-Nebel sichtbar machen, er sucht auch bewußt nach Anomalien, was Tiere überhaupt nicht können. Durch die Entdeckung solcher Anomalien und das dadurch stimulierte Erkennen universeller physikalischer Prinzipien, steigert die menschliche Gesellschaft immerfort ihre Macht zur Veränderung des Universums. Auch dieser Vortrag steht samt der verwendeten Bilder auf der oben genannten Internetseite zur Verfügung.

Sokrates' Jugendbewegung: Gegen den Sophismus

Das Sommerseminar wurde mit dem Vortrag "Sokrates' Jugendbewegung: Gegen den Sophismus", der eine lebhafte Diskussion anregte, abgeschlossen. Michael Liebig stellte einleitend fest, daß die Beschäftigung mit der Geschichte im Schiller-Institut niemals betrachtend geschehe, sondern immer vom Standpunkt der Veränderung der Gegenwart und Zukunft. Was dann folgte, lieferte ein atemberaubendes Schlaglicht, das die Geschichte Athens auf unsere Gegenwart wirft. Dem aufblühenden Athen gelang es durch eine wissenschaftlich-kulturelle Revolution (charakterisiert durch Pythagoras, Thales und Anaximander usw.) zweimal, das zahlenmäßig weit Überlegene persische Heer zu besiegen, aber dann setzte die zerstörerische Wirkung des Sophismus ein, der vor allem gegen die Jugend gerichtet war und diese von der Liebe zur Wissenschaft wegführte hin zum Streben nach Reichtum und Macht. So wurde Athen zur imperialen Macht, die sich von innen heraus selbst zerstörte, ein Schicksal, welches heute den USA, dem einstigen "Leuchttum der Hoffnung", gleichermaßen drohen.

Michael Liebig demonstrierte anhand verschiedener Dialoge Platons, wie sich allein Sokrates dieser Selbstzerstörung in den Weg stellte, indem er den Kampf gegen Sophisten wie Gorgias, Protagoras und Thrasymachos aufnahm. Er machte deren Denken öffentlich völlig lächerlich und gewann den Großteil der Jugend für ein moralisches Leben und die Wissenschaft zurück. Doch 399 vor Christus wurde Sokrates als "Verführer der Jugend" durch einen Justizmord ausgeschaltet. Die Akademie von Athen und vor allem der Sokrates-Schüler Platon besiegten danach zwar die sophistische Ideologie, politisch kam das jedoch für Athen zu spät, das sich in den Peloponnesischen Kriegen den eigenen Untergang bereitete. (Siehe auch "Athen und die Römische Republik: Die imperiale Falle" von M. Liebig in Ibykus Heft 83) Für jeden stand die unausgesprochene Frage im Raum: Wie kann das heute verhindert werden? Wie kann das Problem auch politisch rechtzeitig gelöst werden? Damit schloß sich der Kreis zu der "Gefahr eines globalen asymmetrischen Atomkriegs" und der grundlegenden Lagebeurteilung, die Lyndon LaRouche am Tag zuvor gegeben hatte.

Und nun?

Bei der Vielzahl von Eindrücken und neuen Gedanken stellt sich die Frage, was man als Quintessenz von der Sommerakademie mit nach Hause nehmen soll. Vielleicht das, was Helga Zepp-LaRouche in ihrem Schlußwort ansprach, indem sie anregte, das eigene Denken im Spiegel anderer alter Kulturen zu betrachten? So sehe z.B. ein indischer Philosoph das Problem des Westens in der extremen Überbewertung des Materiellen und des Nützlichkeitsdenkens, denn nur einmal habe der Westen das spirituelle Wesen des Menschen verwirklicht - durch die Heiligen. Die Vorsitzende des Schiller-Instituts fügte mit einem ernstgemeinten Augenzwinkern hinzu, alle sollten nun Heilige werden.


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