Mai 2003:
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Wiesbaden: Mißtrauensvotum gegen die Parteien

Alexander Hartmann diskutiert mit Vertretern der Wiesbadener Sportvereine Im Bild: OB-Kandidat Alexander Hartmann diskutiert mit Vertretern der Wiesbadener Sportvereine.

Die Wiesbadener Oberbürgermeisterwahl wurde zu einer Abstimmung mit den Füßen: Zwei Drittel der Wahlberechtigten blieben zuhause. Vor allem in den traditionellen Hochburgen der SPD streikten die Wähler, während die BüSo ihren Stimmenanteil verdoppelte.

Das wichtigste Ergebnis der Wiesbadener Oberbürgermeisterwahl am 11. Mai ist die unerhört niedrige Wahlbeteiligung von nur noch 33,7%. Es ist die niedrigste Beteiligung an einer Wahl in Hessen seit der Gründung des Bundeslandes. Bei den letzten Oberbürgermeisterwahlen vor sechs Jahren lag die Beteiligung noch bei 59%, bei der Landtagswahl im Februar sogar bei 65%.

Von den abgegebenen Stimmen gingen 11,2% als Proteststimmen an den unabhängigen Bewerber Schulz, der in Ermangelung eines Programms nur durch Happenings auf sich aufmerksam machte; FDP und Grüne hatten von vornherein keinen Kandidaten aufgestellt.

Insgesamt kann man das Ergebnis nicht mehr als Mandat für den Amtsinhaber bezeichnen, sondern nur noch als Mißtrauensvotum gegen beide Volksparteien. Der Wahlsieger, Amtsinhaber Hildebrandt Diehl von der CDU, mobilisierte nicht einmal 20% der Wahlberechtigten, die SPD brachte gar nur noch 10% der Wahlberechtigten an die Urne. Sie erlitt mit ihrem Kandidaten Rolf Praml eine vernichtende Niederlage und verlor gegenüber 1997 rund 60% ihrer Wähler. Gerade in den bisherigen SPD-Hochburgen war die Wahlbeteiligung deshalb besonders niedrig. Lyndon LaRouche kommentierte das Ergebnis so: "Brünings Politik hat die Wähler der SPD von den Wahlurnen vertrieben."

Tatsächlich hatte SPD-Kandidat Praml, beruflich ein gestylter Telekom-Manager, bei seinen Wahlkampfauftritten immer wieder betont, Amtsinhaber Diehl spare nicht genug! Selbst die wenigen, unzureichenden "Investitionsprogramme" - wie z.B. den Neubau eines Schwimmbads (damit der Standort des alten Hallenbads profitabel verwertet werden kann) - lehnte Praml ab.

Seine Behauptung, mit ihm werde der "Stillstand" der Wiesbadener Politik ein Ende haben, stand in merkwürdigem Kontrast zu seiner Aussage, Wiesbaden dürfe nicht mehr wachsen, damit das "Flair" der Stadt erhalten bliebe: keine neuen Wohngebiete, keine neuen Gewerbegebiete.

Statt Vorschläge zu liefern, wie die gefährdeten Arbeitsplätze der Parteimitglieder gesichert werden können, machte Praml die Wiederherstellung der Baumschutzsatzung zum Schwerpunkt seines Wahlkampfs. Damit war bei der Parteibasis, die schon jetzt unter viel zu hohen Mieten und drohendem Verlust ihrer Arbeitsplätze leidet, kein Blumentopf zu gewinnen.

Pramls Positionen und seine Niederlage sind symptomatisch für den Kurs seiner Partei. Nicht nur er ist geistig in der Schuldenfalle gefangen, das gleiche gilt für den Bundeskanzler und seinen Finanzminister: Das Wiesbadener Ergebnis ist mindestens genauso ein Denkzettel für Gerhard Schröder. Es bleibt zu hoffen, daß die Bundes-SPD die Ohrfeige, die ihre Wiesbadener Genossen erhalten haben, endlich zum Anlaß nimmt, ihren wirtschaftspolitischen Kurs zu ändern. Viel Zeit bleibt Schröder nicht.

Die Rolle der BüSo

Die Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Wiesbaden verdoppelte mit ihrem Kandidaten Alexander Hartmann mit 0,9% ihren Anteil gegenüber den Bundestags- und Landtagswahlen. In jedem zehnten Stimmbezirk erhielt Hartmann zwei oder mehr Prozent der Stimmen, in einem Fall sogar 4,5%.

Hartmann legte den Schwerpunkt auf das notwendige wirtschaftspolitische Umdenken: Statt die Wirtschaft totzusparen forderte er massive Invesititionen in "volkswirtschaftliche Kapitalbildung". Dies gelte auf lokaler Ebene ebenso wie auf nationaler und internationaler: "U-Bahn für Wiesbaden, Transrapid für Deutschland, Eurasische Landbrücke für die Welt". Finanzieren könne man dies mit dem Lautenbach-Plan. Auch der Vorschlag, eine Universität Wiesbaden und 20000 neue Wohnungen zu errichten, fand großes Interesse, und es ist davon auszugehen, daß die Diskussion darüber gerade erst begonnen hat - nicht zuletzt, weil in der SPD eine Neuorientierung ansteht.

Daß die BüSo keinen höheren Stimmenanteil erreichte, lag vor allem an der Blockadepolitik der beiden Lokalzeitungen, die vom selben Verlag, der Rhein-Main-Presse, herausgegeben werden. Vielleicht verdankte der "alternative" Kandidat Schulz die große Aufmerksamkeit des Kuriers und des Tagblatts nur der Tatsache, daß Proteststimmen auf keinen Fall der BüSo zugute kommen sollten? Denn dies hätte die BüSo und ihre Ideen dann womöglich in ganz Deutschland in die Diskussion gebracht! Da der Kurier schon lange für seine Überheblichkeit bekannt ist, fand Hartmanns Forderung, Wiesbaden brauche endlich eine "respektable Lokalzeitung", regen Zuspruch.

Auch bei der Gegenüberstellung der Positionen der Kandidaten zu bestimmten Wiesbadener Themen wurde Hartmann nicht berücksichtigt, so daß viele Wahlberechtigte wohl gar nicht wußten, daß es neben Diehl, Praml und Schulz noch einen weiteren Kandidaten gab, oder mit dem Namen kein Programm verbanden, und deshalb lieber zuhause blieben. Auch mancher, der das BüSo-Programm sympathisch fand, mag zuhause geblieben sein, weil er sich von der schwarzen Propaganda des Kurier einschüchtern oder irritieren ließ.

Ein höheres Ergebnis für die BüSo hätte der SPD neben der verdienten Ohrfeige auch einen Hinweis gegeben, in welche programmatische Richtung sie sich orientieren muß, wenn sie überleben will. Wer eine bessere Politik will, muß denen, die diese Politik vertreten, auch ein Mandat geben.


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