September 2002:
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Über das Gemeinwohl nicht nur reden

Eckhard Müller, Stahlbau

Eckhard Müller führt als Bauingenieur eine Stahlbaufirma in Bad Vilbel mit 33 Mitarbeitern. Er kandidiert auf der Landesliste der BüSo in Hessen.



Das Interview führte Michael Weißbach:
Eckhard Müller: Wir haben hier in Bad Vilbel-Dortelweil vor etwa 40 Jahren begonnen. Ich hatte ein paar Patente entwickelt, Neuerungen, mit denen sich der Start in die Selbständigkeit ganz gut bewerkstelligen ließ.
Wir sind dann relativ schnell gewachsen - bis auf 40 Beschäftigte, das ist in einem Stahlbaubetrieb schon eine ganze Menge, weil der Trägerbau generell nicht so lohnintensiv ist und man daher mit wenig Leuten eine Menge Umsatz machen kann. Wir sind im näheren Raum sehr gut bekannt geworden. Aber wir haben im Laufe der Zeit auch Aufträge bis in die Nähe der tschechischen Grenze bekommen und auch aus Norddeutschland.

Müller: Wir beschäftigen im Moment noch 33 Personen. Im Frühjahr gab es eine Flaute mit wenigen Auftragseingängen, im Augenblick sind wir wieder annähernd vollbeschäftigt. Und die Belastungen, die auf einen zukommen, werden hauptsächlich von außen, beispielsweise von den Behörden verursacht. Was da auf uns herniederprasselt an Bestimmungen, Auflagen wie z.B. Brandschutzbestimmungen oder berufsgenossenschaftlichen Prüfungen, das reißt gar nicht mehr ab. Dies alles kostet Geld, Energie und Zeit. Das ist für die mittelständischen Unternehmen noch viel härter, als es in den Medien berichtet wird.

Müller: Der Stahlbau teilt sich ein in den allgemeinen Stahlbau, also in den Gerüstbau für die Industrie, dann den Hallenbau und in den Geschoßbau, den Festbau. In letzteren Bereichen sind wir hauptsächlich tätig, und dann arbeiten wir mit anderen Firmen in der Blechverarbeitung zusammen. Das hat uns in der jüngsten Krisenzeit sehr geholfen. Die Blechverarbeitung produziert Blechprofile nach genauen statischen Erfordernissen oder Sondervorstellungen der Architekten, die als Verkleidung oder Bauteile in den Stahlbau integriert werden. Da kommen dann Bauherren und Projektleiter auf uns zu mit irgendwelchen Sonderwünschen und -aufgaben. Und das muß dann ja irgendjemand auch bauen und ruck-zuck liefern können.

Müller: Ich bin jetzt 75 Jahre alt und nach den Vorstellungen der Banken gar nicht mehr richtig lebendig. Ich leite den Betrieb nach wie vor sehr aktiv, weil die jahrelange Erfahrung doch viel wert ist - auch wenn davon nicht mehr so viel gesprochen wird. Ich bin nach wie vor morgens der erste in der Firma und verlasse sie abends als letzter. Die Arbeit macht mir weiterhin sehr viel Spaß, ich bin damit sehr zufrieden. Man freut sich doch immer wieder, wenn man etwas erreicht hat, der Kunde befriedigt ist. Man sollte immer etwas mehr liefern, als der Kunde erwartet. Das ist die Basis für ein kontinuierliches Vorwärtskommen.

Müller: Eigentlich hatte ich schon immer darauf gewartet, daß sich einmal eine Partei gründet, die offen die Wahrheit spricht und eine realistische Perspektive vertritt. Eines Tages, das war vor eineinhalb Jahren, kam ein Anruf (man wird ja viel angerufen). Die Dame hatte ihr Anliegen so klar und überzeugend dargestellt, daß wir uns sehr schnell einig wurden. Es ging um die Lage des Mittelstands, die systematische Deindustrialiserungspolitik und die Zerstörung des Mittelstands, aber auch um Fragen der Erziehung, der Lehrlingsausbildung und allgemeine Kulturfragen.

Müller: Ja, wir haben im Moment sechs Lehrlinge, ein paar im gewerblichen und einige im technischen Bereich.

Müller: Die neue Kreditpolitik trifft uns als mittelständische Unternehmer ungeheuer hart. In der Öffentlichkeit wird die neue Linie schöngeredet, aber daß dies jetzt alles problemlos gehen soll, davon merken wir nicht viel. Wir merken, daß die Banken begonnen haben, Kreditlinien nicht nur zu kürzen, sondern sogar total aufzuheben. Wir sind ja hier im Bau tätig, da laufen die Geschäfte immer stoßweise. Es gibt manchmal Großprojekte, da müssen wir viel einkaufen, und das müssen wir vorfinanzieren. Im Stahlbau wird viel vorher konstruiert und vorher gefertigt. Der Stahlbau ist deshalb im Bausektor noch eine Wachstumsbranche, weil er die modernen Vorstellungen von viel Glas und viel Filigranarbeit befriedigt und den großen Vorteil für die Planer und Bauherren bietet, daß die Baustelle in ganz kurzer Zeit aufgeschlagen ist.

Müller: Wir sind jetzt gezwungen, die Aufträge so vorzusortieren, daß wir uns auf die Kunden konzentrieren, die wir gut kennen und von denen wir wissen, daß sie gut und schnell zahlen. Andere Aufträge haben wir dann gar nicht mehr annehmen können, weil das Risiko zu groß geworden wäre. Ich bin jetzt gezwungen gewesen, aus meinem Privatvermögen einige Kreditbürgschaften zu übernehmen. Diese Dinge werden jetzt auch neu bewertet. Die Banken wollen ganz andere Sicherheiten, sie stufen die Firmen nach viel schärferen Kriterien ein. Wenn Sie heute keine Grundvermögen haben, auf die Sie zurückgreifen können, dann können Sie eigentlich gar nichts mehr machen. Und wie gesagt, die Auftragslage hat sich bei uns im Stahlbau über den Sommer hinweg gut entwickelt. Aber das zählt für die Banken nicht.

Müller: Leider ist der Zeitfaktor für uns Unternehmer doch ein stark einengender Umstand. Ich würde mich gerne viel mehr für die Ideen der BüSo engagieren. Was ich in den letzten Jahren bei der BüSo beispielsweise an korrekten Analysen zur Wirtschaftsentwicklung gesehen habe, ist beeindruckend. Die Krise ist von niemandem sonst so genau vorhergesagt worden. Was die Lösungen angeht, da fischt die BüSo nicht im Trüben. Es gibt da keine vagen Vorstellungen, sondern sie bezieht sich auf die wirtschaftsgeschichtlichen Beispiele, bei denen sich eine nachweislich gesunde Wirtschaftspolitik günstig auf das Gemeinwohl ausgewirkt hat. Es wäre wirklich eine gute Sache, wenn die Ideen der BüSo möglichst schnell an Einfluß gewännen. Dann würde über das Gemeinwohl nicht nur geredet, sondern es würde wieder zur Richtschnur des Handelns. Dazu will ich beitragen.

Müller: Leider ergeht es den anderen Unternehmern in der Region ähnlich wie mir. Die Zeit ist knapp und der Streß groß. Die Lage hat sich tatsächlich durch die Maßnahmen des Basel II-Abkommens noch verschärft. Und das führt dazu, daß sich viele noch weniger Zeit für die allgemeine Politik nehmen. Jeder brauchte eigentlich mehr Zeit zum Studium und gesellschaftlichem Engagement. Trotzdem gilt für mich der Spruch, der als Motto in meinem Büro hängt: Wer sich keine Zeit für die Politik nimmt, muß damit rechnen, daß er von weniger fähigen Menschen regiert wird.

Müller: Ja, ich habe tatsächlich einen Sohn, der in den letzten Jahren in den Sog des "schnellen Geldverdienens" geraten war. Seit dem Beginn des Börseneinbruchs gibt es zwischen ihm und mir mehr Übereinstimmung als noch vor zwei Jahren. Er besinnt sich jetzt wieder mehr auf seine Fähigkeiten. Er ist bestens ausgebildet, hat an der TU in Darmstadt studiert, ist also ein exzellenter Statiker. Er bringt alles mit, den Betrieb weiterzuführen. Aber es sind halt die vielen, vielen Stunden, die man in die Leitung eines Betriebes stecken muß - das ist einem jüngeren Menschen schwer zuzumuten.


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