Oktober 2004:
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Wiesbadener Berg- und Talfahrten

Alexander Hartmann
Der Autor des Artikels, Alexander Hartmann bei einer Wahlkampf-Veranstaltung

Erinnern Sie sich noch? Vor 18 Monaten berichteten wir über den Oberbürgermeisterwahlkampf des BüSo-Kandidaten Alexander Hartmann in Wiesbaden. Als Beispiele für Projekte auf kommunaler Ebene, die geeignet dafür seien, in Zeiten einer Wirtschaftsdepression die Realwirtschaft zu mobilisieren, nannte er damals u.a. die Verbesserung der katastrophalen Verkehrslage in Wiesbaden - dort gibt es bisher neben einer marginalen Anbindung ans Frankfurter S-Bahnnetz nur ein umfangreiches Busliniennetz. Hartmann schlug vor, die S-Bahn bis in die Innenstadt zu verlängern, zusätzliche Haltepunkte für die S-Bahnen und zusätzliche Linien einzurichten und durch den Bau von U-Bahnstrecken zu ergänzen.

Die Wähler entschieden damals anders und bestätigten den Amtsinhaber von der CDU, unter dessen Schirmherrschaft die Wiesbadener CDU/FDP-Koalition den Weg in die Deregulierung und Privatisierung - auf Kosten der Gehälter der bisher öffentlichen Bediensteten - entschlossen fortsetzt. Die Bahnlinie von Wiesbaden nach Niedernhausen wird inzwischen von dem "privaten" Unternehmen Vectus betrieben, einer Tochterfirma der dem Landkreis Altenkirchen gehörenden Westerwaldbahn und von den Hessischen Landesbahnen, die, wie der Name schon sagt, vom Land Hessen gegründet wurden.

Auch ein Teil der Buslinien wurde nun "privatisiert": Die städtische Verkehrsgesellschaft ESWE-Verkehr gründete gemeinsam mit ihrem neuen 49%-Eigner, der Hamburger Hochbahn, einen neuen Busbetrieb, die Wibus, die nun einen wachsenden Teil des Busliniennetzes übernehmen soll. Und warum das Ganze? Die Fahrer des neuen, "privaten", Busbetriebs werden nicht mehr nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes, sondern nach dem des privaten Busgewerbes entlohnt, und der liegt rund 25% unter dem öffentlichen Tarif. Laut Wiesbadener Kurier beläuft sich die Differenz auf bis zu 300 Euro pro Busfahrer und Monat.

Inzwischen wird deutlich, daß dieser Weg auch ein Weg ins Verkehrschaos ist. Daß die aus Hamburg eingeführten Billigbusfahrer sich im Wiesbadener Straßennetz verirren, dürfte sich zwar schon bald als überwundene Kinderkrankheit erweisen, aber daß die von der Hamburger Hochbahn ausgemusterten Altbusse - das Durchschnittsalter der Busflotte des neuen Unternehmens liegt bei acht Jahren - zu schwach motorisiert sind, um die Steigungen der Taunusstrecken zu schaffen, dürfte schwerer zu beheben sein. Ganz zu schweigen davon, daß die Altfahrzeuge natürlich auch von den gewohnten Lärm- und Abgasstandards abweichen.

Fast gleichzeitig wurde eine Studie über ein "Rhein-Hessen-Netz" für den Bahnbetrieb im Nahverkehr veröffentlicht, die dringend eine Verlängerung der S-Bahn bis in die Innenstadt empfiehlt, verbunden mit der Einrichtung neuer Haltepunkte. Damit könne die Zahl der Bahnbenutzer zwischen Mainz und Wiesbaden von derzeit täglich knapp 7 000 auf rund 45 000 gesteigert werden. Eine eindrucksvolle Bestätigung des BüSo-Programms.

Nun sind auf einmal (fast) alle Rathausparteien für eine Bahnverbindung in die Innenstadt. Während Rot-Grün den Bau einer Stadtbahn (früher hieß so etwas Straßenbahn) befürwortet, setzt sich der Verkehrssprecher der FDP, ein Herr Schwarz, für eine unterirdische Verlängerung der S-Bahn in die Innenstadt ein. Das habe die FDP immerhin schon 1988 gefordert. Er verschwieg dabei natürlich, daß diese Idee erst im Oberbürgermeisterwahlkampf 2003 wieder ins Gespräch gebracht wurde - vom BüSo-Kandidaten. "U-Bahn für Wiesbaden? Irrsinn!" kommentierte die Bild-Zeitung, die offenbar zwischen U- und S-Bahn keinen Unterschied kennt, den Vorstoß.

Davon ließ sich offenbar auch der Fraktionsvorsitzende der FDP im Stadtrat, ein Herr Burghard, beeindrucken, der den Antrag der CDU, die Strecken für den etwaigen Bau zusätzlicher Bahnstrecken wenigstens freizuhalten, ablehnte. Ausdrücklich, weil darin ein "City-Link" vorgesehen war. Die 800 m (tatsächlich sind es 1200 m) könne man ja auch laufen, meinte er - das sei billiger. Wir fügen hinzu: Und im Falle der Steigungen, die die hamburgischen Busse nicht schaffen, wohl auch schneller... Aber ist das der Sinn des öffentlichen Nahverkehrs?


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