November 2001: |
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Meier: Soweit mir persönlich bekannt ist, gibt es in den USA keinen Zivilschutz, denn die Amerikaner waren bisher der Meinung, daß ihrem Land nie etwas passiert. Man hat zwar eine gute Feuerwehr, die auch gut ausgebildet und ausgerüstet ist, aber es ist ein völlig anderes System als bei uns. Der eigentliche Zivilschutz hatte nie richtig stattgefunden, sie haben geglaubt dies mit ihren National Guards auffangen zu können, das ist nicht das gleiche was wir hier in unserem eng besiedelten Europa als Zivilschutz aufgebaut haben. Das spiegelt sich auch in der NATO wieder, die Haushaltsmittel in der Militär- und Zivilverteidigung sollten 20 : 1 sein, auf 20 DM militärische Verteidigung sollten eine DM zivile Verteidigung kommen, zum Schutze der Bevölkerung. Dies hat sich bis heute auf 64 : 1 entwickelt, weil die Amerikaner in ihrer Verteidigung niemals Wert auf eine funktionierende Zivilverteidigung gelegt haben, weil sie dachten uns passiert nie etwas.
Meier:
Ich war innerlich tief erschüttert über die Bilder und hatte große Achtung vor den Leistungen der Feuerwehrleute von New York. Sie sind hinein gerannt um zu helfen und sind umgekommen.
Die ganze Struktur scheint sich in den USA im wesentlichen auf den Bereich Feuerwehr zu konzentrieren, und dann kommt die Unterstützung der National Garde, aber solche ausgebildeten Bergungseinheiten wie wir sie haben, die die es gelernt haben Leute aus den Trümmern herauszuholen, die das Handwerk gelernt haben, das konnte ich aufgrund der Fernsehbilder nicht fesstellen.Ich hatte manchmal meine Sorgen darüber, ohne den Feuerwehrleuten einen Vorwurf zu machen. Sie haben blitzschnell geholfen, aber es war ja alles in so einem ungeahnten Ausmaß zerstört.
Man muß sich mal überlegen, daß nach den Luftangriffen im 2. Weltkrieg in Hamburg und Dresden, wo in den drei Tagen Luftangriffen in Hamburg über 40.000 Menschen umgekommen sind , es immerhin noch einen funktionierenden Luftschutzhilfsdienst gegeben hat. Trotz der Zerstörung, hat die Feuerlöschpolizei, wie sie damals hieß und die SD Kräfte, der Sicherheitsdienst, nicht der Staatsdienst, sondern der Vorläufer vom Luftschutzdienst, oder THW, damals unglaubliches geleistet.
Meier:
Erst einmal völlig unabhängig vom THW der Bundesorganisation für Katastrophenschutz, betrachten wir Fachleute den Katastrophenschutz in den letzten Jahren mit mehr als erschütternden und ernüchternden Gefühlen. Man muß sich den Katastrophenschutz als ein Baukastensystem vorstellen, zwischen den Bund, Länder und Kommunen. Der Bund bringt den wesentlichen Bereich des Zivilschutzes in diesem System ein, die Länder bringen den Landeskatastrophenschutz mit ein und für die örtlichen Gefahrenabwehren sind die Kommunen, d.h. die Kreisfreien Städte und Landkreise verantwortlich. Hier hat durch den Bund in den letzten Jahren ein erheblicher Abbau stattgefunden.
Mitte der 90er Jahre hatte der Bund unter dem großen Finanzdruck, der auch durch die Wiedervereinigung verursacht wurde, dramatische Mittelkürzungen vorgenommen. Diese Mittelkürzungen waren so gewaltig, dass sich der Bund in wesentlichen Teilen, fast völlig aus dem Katastrophenschutz zurückgezogen hat. Zur Zeit ist die Situation so, daß der Katastrophenschutz, das sieht man immer erst nach Ereignissen wie erst kürzlich in Amerika, oder wie nach einer großen Naturkatastrophe, gefordert wird. Heute wird der Ruf nach dem Katastrophenschutz wieder laut, wie man vom Bundesinnenminister Schily hört, der erklärt daß im Katastrophenschutz zu viele Strukturen zerstört worden seien, die schnellstens wieder aufgebaut werden müssen.
Meier: Das THW ist ein Bestandteil des Katastrophenschutzes mit verschiedenen Fachdiensten, der Brandschutzdienst durch die Feuerwehr, der Sanitätsdienst durch Sanitätsorganisationen, die Wasserrettung zum Teil durch die DLRG und der Bereich Bergung, Instandsetzung durch das Technische Hilfswerk. Es dürfte und sollte untereinander keinerlei Konkurrenzsituationen geben . Das THW hat eine ganz klar umrissene und zugewiesene Aufgabe im Katastrophenschutz, nämlich Bergung und Instandsetzung durchzuführen.
Meier: Das THW wird tätig auf Anforderung des Außenministeriums, über das Bundesinnenministerium. Das THW unterhält hierfür sogenannte Schnelleinsatzgruppen SEBA, (Schnelleinsatzgruppe Bergung Ausland). Die SEBA-Gruppen sind Sondermannschaften, die aus den verschiedenen Landesverbänden zusammengestellt werden. Diese werden im Ausland, sehr häufig z.B. mit Trinkwasseraufbereitungsanlagen eingesetzt.
Meier: In Deutschland haben wir eine völlige andere Struktur, als im Ausland, z.B. die Schweiz besitzt z.B. einen durchaus gut ausgerüsteten Zivilschutz, man sagt die Schweizer Rettungsorganisationen seien auch sehr schnell. In der Schweiz wird das alles über die Schweizer Zivilschutzeinheiten abgedeckt. In Frankreich ist das die Prevention Civile. In Deutschland gehört der Zivilschutz vorwiegend dem Bund, denn der THW ist eine 100% Organisation des Bundes, untersteht dem Bundesminister des Innern, ist eine eigenständige Bundesanstalt im Bundesinnenministerium, hat einen eigenen Haushalt, finanziert vom Bundesinnenministerium. Das ist im Ausland nicht der Fall. Bei meinen Auslandsgesprächen , die ich vielfach hatte , auch bei früheren Beratungsgesprächen, hat man uns immer wieder um diese Organisationsstrukturen wie sie in Deutschland existieren, beneidet.
Das THW gliedert sich , wie schon gesagt in Landesverbände, hier in unserem Raum sind z.B. mehrere zusammengefasst, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Bayern ist ein eigener Verband untersteht dem Direktor des THW und gliedert sich dann in geschäftsführende Bereiche auf. Das alles ist rein hauptamtlich. Es gibt eine kleine hauptamtliche Kerngruppe, die für Ausbildung, Ausrüstung, Mittelbeschaffung Verwaltung zuständig ist und geht dann flächendeckend in die Ortsverbände. Die Ortsverbände sind aber rein ehrenamtlich. Der Ortsbeauftragter ist der Chef seines Ortsverbandes und dort sind die einzelnen Fachdienste und Fachzüge. Das sind technische Züge und sogenannte Fachgruppen. Auch das ist wieder ein Baukastensystem, damit wir jederzeit in der Lage sind, spezielle Fachgruppen untereinander und zwischen Ortsverbänden auszutauschen.
Meier:
Wir haben zum Teil einen großen Knick in der Bereitschaft ehrenamtlich und freiwillig mitzumachen. Ich z.B. bin jetzt 42 Jahre im Technischen Hilfswerk ehrenamtlich tätig. Wir haben viele die auch schon sehr lange freiwillig dabei sind, aber wir stellen zunehmend bei den Jüngeren fest, daß das nicht mehr der Fall ist. Es ist ja ein Unterschied, ob man in einen Verein geht, indem man etwas geboten bekommt, d.h. Konsumgesellschaft, oder ob man in einen Verein geht, wo man etwas tun muß. Ein großer Teil unserer Helfer rekrutiert sich aus jungen Leuten, die nach dem Wehrpflichtgesetz zu uns kommen, sich 7 Jahre verpflichten und nicht zur Bundeswehr brauchen, sie aber keinen Zivildienst damit leisten. Sie leisten ihren Dienst im Rahmen der zivilen Verteidigung ab. Viele bleiben danach bei uns, es gibt aber auch einen großen Teil von Freiwilligen.
Der größte Knick aber kam, als Mitte der 90er Jahre , 1994 /95 der Bundesinnenminister Kanther mit einer Brutalität 71.000 freiwillige Helfer, man kann schon sagen, weggejagt hat und Tausenden von Einsatzfahrzeugen eingestellt. Den damit verbundenen Wegfall der Finanzierung von ca. 30.000 Stellen für ehrenamtliche, langjährig und kostenintensiv ausgebildete Führungskräfte in Feuerwehren, Technischem Hilfswerk, Deutschen Roten Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst, Arbeiter-Samariter-Bund, Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft und den kommunal getragenen Regieeinheiten muß als verhängsnisvoll betrachtet werden.
Bundesweit hat man Fachdienste geschlossen. Leute die jahrelang auf Kosten der Steuerzahler ausgebildet wurden hat man entlassen. Es waren hervorragend ausgebildete Helfer und man hat einfach die Einheiten aufgelöst. Das hat eine ungeheure Frustration ausgelöst und es sind sehr viele Helfer weggeblieben. Das betrifft nicht nur das THW, es betrifft Sanitätseinrichtungen und es betrifft den gesamten Warndienst der Bundesrepublik Deutschland. Eines der traurigsten Kapitel, das wir unseren Warndienst aufgegeben haben. Wir sind gar nicht mehr in der Lage heute unsere Bevölkerung zu warnen. All das hat heute dazu geführt, das viele gesagt haben, nein, das machen wir nicht mehr mit. Dadurch haben wir sehr, sehr viele gute ausgebildete Leute verloren.
Meier:
Das dies ausgerechnet von einer CDU Regierung kam war für uns alle der größte Flop. Jahrelang haben gerade wir, die wir in der Zivilverteidigung gearbeitet haben, uns als Kriegstreiber, als Kriegsvorbereiter beschimpfen lassen müssen. Nach dem Motto Zivilschutz ist gleich Kriegsvorbereitung. Ich habe selbst erschütternde Diskussionen miterlebt, man hat mir Kinder vor die Augen gehalten und geschrien , ob ich sie umbringen will, nur weil ich mich für einen Zivilschutz und für eine zivile funktionierende Verteidigung ausgesprochen habe. Aber das dann ausgerechnet die CDU und ausgerechnet ein Herr Kanther mit dieser unglaublichen Rücksichtslosigkeit den THW aufgelöst hat, das hat uns tief erschüttert.
Der Hintergrund? Es war schlichtweg kein Geld mehr da. Die Wiedervereinigung hat viel Geld gekostet, man hat gespart, nach dem Motto es wird gespart, koste es was es wolle. Man hat Strukturen zerstört und was das schlimme an dem Ganzen war, es gab auch keine Diskussionsfähigkeit mehr. Bei manchen Diskussionen mit Herrn Kanther habe ich mich gefragt, ob der Mensch noch Christ oder Demokrat ist, weil eine Diskussion überhaupt nicht mehr möglich war. Nach Außen hat man deklariert , das ist alles nicht mehr notwendig, der wahre Frieden sei ausgebrochen, wir brauchen diesen Schutz jetzt nicht mehr, obwohl viele gewarnt haben.
Gerade vor Terrorismus, vor terroristischen Anschlägen haben wir gewarnt, aber wir haben ja nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen. Nehmen sie das Thema Öffnung des Rhein-Main-Donau Kanals. Ein dramatisches Ansteigen von Gefahrguttransporten auf den Binnenwasserstraßen. Wir müssen diese Entwicklungen doch mit offenen Augen sehen, wir haben zunehmende Gefahren durch Naturkatastrophen. Bei dem Sparen hätte man eben mit etwas mehr Fingerspitzengefühl darangehen müssen und nicht die wichtigsten Strukturen, das Rückgrat des Ganzen Warndienst, sinnlos zu schließen.
Meier:
Trotz der ganzen Lippenbekenntnisse, daß der Katastrophenschutz dringend Unterstützung braucht und verstärkt werden muß, haben wir Angst vor dem was kommt. Ich kann nichts konkretes sagen, aber die Buschtrommel signalisiert, das in der Bundesrepublik ein großer Anteil von Orts-THWs letztlich aus Kostengründen wieder geschlossen werden soll.
Aber lassen sie mich noch mal zur Ausland und Inlandsstruktur kommen. Wir unterstehen in den Kreisen und Kommunen, dem Bereich der Feuerwehren , d.h. den Kreisen, dem Landrat, dem Oberbürgermeister jederzeit zur Verfügung. Der Bund behält sich bei größeren Schadensereignissen vor, bundesländerübergreifend die Einheiten, die Regie zu führen, wie bei dem Oder Hochwasser bekommen wir dann die Maßgabe: "Fahren sie an die Oder, oder fahren sie nach Bayern, oder sonst wo hin."
Im Ausland sind es vorwiegend technische Hilfsleistungen, z.B. wurden Brücken gebaut, mit unserem besonderen Brückenbaugerät. In Beirut hatten wir damals die Wasseraufbereitungsanlagen instand gesetzt, Im Kosovo haben wir Flüchtlingslager eingerichtet. Der Bereich Infrastruktur und Instandsetzung hat Häuser aufgestellt und für die Stromversorgung und Wasserversorgung gesorgt. In Ruanda haben wir nach den fürchterlichen und entsetzlichen Bürgerkriegen aus den Flüssen und Seen Trinkwasser aufbereitet und am Tag 40-60.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt. Das sind unsere Einsätze im Ausland.
Mittlerweile fordert die UNO direkt schon das THW an, wegen unserem hervorragenden technischen Know How. Ich kann mir vorstellen, daß wenn in Afghanistan die Lage sich einigermaßen beruhigt hat und die kämpferischen Handlungen abgeflaut sind, das man unter Umständen dort Einsätze im Auftrag der UNO plant, um dort Trinkwasser herzustellen und um Zelte aufzubauen.
Meier: Es gibt natürlich gerade beim DRK , oder ASB ,oder Johanniter, die sehr viel Hilfsmaßnahmen bei Flüchtlingscamps, und Sanitätsversorgung, auch mit technischer Ausrüstung. Auch dort gibt es technischen Einheiten, aber das Schwergewicht vom THW ist einmalig.
Meier:
Diese Arbeitsgemeinschaft hat sich nach 1995 mehrfach an alle Politiker gewandt, wir haben alle angeschrieben und vor diesem Abbau gewarnt, Bundestagsabgeordnete, Presse, Öffentlichkeit. Das Echo war gleich Null. Erst nach dem schweren Erdbebenunglück im Kobe, Japan, als Fernsehjournalisten spitzfindig den Feuerwehrchef fragten, warum er denn nicht schon früher seinen Oberen erklärt hätte, daß er eine bessere Ausstattung brauche und warum er nicht schon längst an die Öffentlichkeit getreten sei, haben wir uns Gedanken gemacht. Wenn der Mann das vorher gemacht hätte, wäre er ausgelacht worden und im Nachhinein hat man ihm Vorwürfe gemacht, warum er denn nichts gesagt hätte.
Da haben wir uns gesagt, den Vorwurf lassen wir uns nicht machen. Wir wollen der Öffentlichkeit mitteilen, wie es um den Katastrophenschutz in der Bundesrepublik aussieht, wie katastrophal es auch in unserer Heimatstadt aussieht und jetzt, nachdem der Bund sich zurückgezogen hat, müssen die Kommunen in die Bresche springen. Sie müssen die ungeheuerlichen Geldanstrengungen vornehmen, um diesen Ausfall zu reduzieren.
Meier:
Die Länder haben nie etwas im Katastrophenschutz getan, fast nie was - egal unter welcher Partei und welcher Regierung. Eins muß man lobend erwähnen: Die jetzige hessische Landesregierung mit dem Innenminister Bouffier ist die erste Landesregierung, die überhaupt eine Gefahrenanalyse für Hessen erstellt hat, die überhaupt sagt: "Leute, wir müssen uns um das Thema kümmern", das muß man dem Bouffier wirklich attestieren, es ist der erste, der gesagt hat: "So, jetzt machen wie eine Gefahrengutanalyse, wie sieht’s denn überhaupt in Hessen aus?" und mit dieser Gefahrengutanalyse müssen wir versuchen langfristig wieder einen funktionierenden Katastrophenschutz aufzubauen.
Aber unser Schulen wurden geschlossen, wenn Sie das lesen, wir haben Zig-tausend Ausbildungsplätze verloren. Es ist unglaublich, was der Bund hier angerichtet hat.
Meier: Es müssen wieder gewisse Mittel dafür bereitgestellt werden, daß das A und O ist, ist klar. Aber es müßte erst einmal auch den Helfern wieder das Gefühl gegeben werden, daß das, was wir ehrenamtlich machen, ein Stück des humanen Kapitals unseres Volkes ist. Die Bereitschaft, ehrenamtlich mitzuhelfen, sich engagieren und das vielleicht unter Einsatz ihres Lebens, ist das kostbarste Gut was Politiker in den Händen halten. Das ist doch der Unterschied, zu einem anderen Verein: Das wurde zerstört. Die Glaubhaftigkeit generell unserer Politik und unserer Politiker. Nicht nur die Sonntagsreden und ein warmer Händedruck, sondern tatsächliche Unterstützung, das ist das was wir brauchen und wir müssen die Glaubhaftigkeit wieder herstellen, damit der Bürger wieder das Gefühl hat das es sich rentiert sich zu engagieren. Dann muß wieder dafür gesorgt werden, daß diese Leute eine optimale Ausbildung dafür bekommen und Schulen dafür geschaffen werden. Nur die Synthese zwischen Ausbildung und Ausrüstung ergibt gemeinsam einen funktionierenden Katastrophenschutz.
Meier: Daß sie nicht soviel Reden sondern zur Tat schreiten!
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