März 2004:

LaRouche über das alte Rom und die Gegenwart

Tiberius, römischer Kaiser Im Bild Tiberius, römischer Kaiser und Schwiegervater des Pontius Pilatus.

LaRouche beschreibt die faschistischen Grundzüge des römischen Reiches und kontrastiert dazu wichtige Personen des Widerstands gegen diese Ideologie in Geschichte und Gegenwart.

Unsere Gesellschaft heute erinnert an das alte Rom mit "Brot und Spielen". Als nach dem Zweiten Punischen Krieg in Italien die Sklaverei immer mehr zunahm, begann der moralische Niedergang der Römer. Italien lebte von den Nahrungsmitteln und Rohstoffen der Länder, die es eroberte und ausbeutete, während die italienische Bevölkerung immer mehr aus dem Produktionsprozeß herausgedrängt wurde. Sie lebte von verschiedenen Almosen. Sie wurde von den Politikern bezahlt. Ein sehr beliebtes Entgelt war die "Unterhaltung", etwa im Kolosseum und im Circus Maximus. Die Unterhaltung bestand darin, sich gegenseitig zu massakrieren. Denken Sie an die Massaker unter Caligula: Die Elite Roms schlachtete sich gegenseitig ab! Dasselbe gilt für Claudius, Nero: eine Orgie von Massakern an den führenden Familien Roms durch die führenden Familien Roms.

Wir tun uns heute ähnliches an, und das im Weltmaßstab. Typisch ist der verrückte Film von Mel Gibson. Ich habe den Film nicht gesehen, aber die Werbung und die Debatte darum. Ich sehe, was da gespielt wird.

Helga Zepp-LaRouche bezog sich kürzlich in ihrer Rede auf unserer Konferenz in Virginia auf eine sehr wichtige Figur aus Dostojewskis Die Brüder Karamasow: den Großinquisitor. Diese Gestalt verkörpert sozusagen die Gedanken eines Joseph de Maistre. Jesus Christus kommt zurück auf die Erde, und der Teufel in Gestalt des Großinquisitors wirft Christus ins Gefängnis und verkündet ihm, daß er hingerichtet würde. Er erinnert Jesus an die Versuchung in der Wüste und sagt sinngemäß: "Hast du denn nichts daraus gelernt? Damals hast du mein Angebot ausgeschlagen. Jetzt gehört die Kirche mir, und du wirst sterben!"

So ähnlich verhält es sich mit diesem Film. Betrachten wir die Sache vom Standpunkt des Neuen Testaments: Was ist die geschichtliche Wahrheit der Kreuzigung Christi? Jesus Christus zog in die Innenstadt Jerusalems ein (so wie unsere Jugendlichen durch die Innenstadt von Los Angeles zogen und gegen Schwarzenegger ankämpften). Die Menschen in der Stadt jubelten ihm zu. Das Römische Reich fand das gar nicht gut. Kaiser Tiberius, eine wahres Monster, saß in seiner Villa an der Klippe auf der Insel Capri. Und sein Schwiegersohn Pontius Pilatus, den er aus privaten Gründen weggeschickt und zum Prokurator Judäas gemacht hatte, handelte ganz nach römischer Weise. Es gab im besetzten Judäa nur eine Autorität, die eine Kreuzigung anordnen konnte: der Kaiser, in Person seines Bevollmächtigten Pontius Pilatus. Nicht die Juden sind verantwortlich für die Kreuzigung, sondern das imperiale Rom. Die jüdischen Hohepriester waren bloß Quislinge - sozusagen die örtlichen Neokonservativen! Sie repräsentierten nicht die typischen Juden! Die Mehrheit der Juden in Judäa wollte die Römer loswerden. Verschiedene jüdische Widerstandsgruppen organisierten Aufstände gegen die römische Besatzung, bis es später zu dem Massenmord der Römer an den Juden kam.

Jesus Christus kommt also und wird von den Menschen auf den Straßen Jerusalems als König der Juden bejubelt. Was heißt das für das Römische Reich? Es heißt: Bringt ihn um! Tötet ihn, und zwar so, daß es den Menschen in diesem Gebiet eine Lehre ist! "So werden wir mit jedem verfahren, der es ähnlich macht!" So hat es Nero mit Petrus gemacht, genauso verfuhr das Römische Reich mit Paulus.

Wenn man die Leidensgeschichte und die Kreuzigung darstellen will, wie sie wirklich war, muß man auf jeden Fall mit dem Einzug in Jerusalem beginnen. Und man wird nicht an das Ende dieses Gewaltfilms eine kurze, fantastische Szene über Christi Wiedererscheinen im Garten Gethsemane ankleben. Bestimmt nicht.

Denn das Wesen des Christentums, wie wir es aus der ganzen Geschichte des Christentums und insbesondere von den Aposteln kennen, bestand darin, daß die gesamte europäische Zivilisation auf großartige Weise verwandelt wurde. Das zeigt sich auch an seinem Einfluß auf Teile der jüdischen Bevölkerung, die damals nicht sehr religiös war. Viele Juden nahmen die Lehren des Christentums als Reform des Judentums an - wie etwa Philo Judäus (von Alexandria). Auch bei der Entstehung des Islams zeigt sich wesentlich der Einfluß des Christentums. Die große Kultur der Mauren in Südspanien zeigt den direkten und indirekten Einfluß des Christentums auf den Islam. Die Kultur der Mauren, einschließlich ihrer jüdischen Komponente, steht wahrscheinlich noch heute für das höchste Niveau der spanischen Kultur. Die Inquisition hat sie vertrieben.

Die Lehre daraus ist nicht Pessimismus, sondern Optimismus. Entscheidend ist nicht, daß jemand umgebracht wird. Martin Luther King wurde durch eine Laune Edgar Hoovers ermordet - aber ist Martin Luther King tot? Nicht, solange ich lebe.

Ist Johanna von Orleans tot? Sie machte die moderne Gesellschaft erst möglich. Sie machte es möglich, daß Frankreich als erster moderner Nationalstaat gegründet wurde. Sie war ein unverzichtbarer Bestandteil der großen Renaissance, mit der das Beste der europäischen Gesellschaft der Neuzeit entstand. Sind die Menschen, die so heldenhaft für die menschliche Freiheit litten und starben, wie Martin Luther King und Johanna von Orleans, tot? Nein. Ihr Beitrag zur Menschheit ist unsterblich. Und wenn wir darüber nachdenken, wer sie waren und was sie uns mit ihrem Opfer und ihrem Mut gegeben haben, dann sind sie ein Teil von uns. Sie leben in uns. Sie sind gut, sie spornen uns an. Sie deprimieren und erschrecken uns doch nicht. "Ja, er starb. Ja, er mußte leiden. Aber seht, welches Geschenk er uns bei seinem Leiden machte. Der Preis, den er zu unserem Segen bezahlt hat, ist für uns Grund zu inniger Freude: Er hat uns so sehr geliebt, daß er das für uns getan hat. Er lebt ewig."

Der Film verkehrt das ins Gegenteil. Und raten Sie mal, wer diesen Film fördert? Der große Menschenfreund John Ashcroft. Der Rassist. Seine Leute machen sich am meisten für diesen Film stark. Die Gruppe, mit der Mel Gibson verbunden ist, ist eine bekannte faschistische Gruppe in der Tradition Francesco Francos und der Karlisten. Sie sind keine Christen. Sie sind wie Dostojewskis Großinquisitor. Sie sind die größte Gefahr für die Vereinigten Staaten.

Wenn man sieht, wie für diesen Film unter den Leuten Propaganda gemacht macht, für die er gedacht ist, unter verrückten rechten Katholiken und verrückten rechten Protestanten der schlimmsten Art, dann muß man sagen: Dieser Film ist die Hymne des Ku-Klux-Klan! Damit droht die größte Welle von Antisemitismus und ähnlichem, die man sich nur vorstellen kann. Und er ist Teil eines Wahlkampftricks für George Bushs Wiederwahl - auch wenn George Bush persönlich damit gar nichts zu tun haben mag.

Aus einer Rede LaRouches am 26. Februar 2004 bei einer Bürgerversammlung in Los Angeles.


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