Januar 2002:
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offener Brief



Der folgende offene Brief ist zugleich Auftakt des Bundestagswahlkampfes 2002:



Die Vorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität,
Helga Zepp-LaRouche:

Helga Zepp-LaRouche

Bundeskanzler Schröder, Kanzlerkandidat Stoiber -
ich fordere Sie zur Debatte mit mir heraus!



Sie beide bewerben sich für das Amt des Bundeskanzlers in der nächsten Legislaturperiode. Sie, Herr Schröder, wollen dieses Amt behalten, und Sie, Herr Stoiber, wollen es erringen. Das Problem ist nur, daß die Annahmen, auf Grundlage derer Sie beide Ihre Wahlstrategie verfolgen, innerhalb weniger Monate von der Realität völlig hinweggefegt sein werden!

Sie, Herr Stoiber, haben keinen Zweifel daran gelassen, daß Sie die einbrechende Wirtschaft und die schnell steigende Arbeitslosigkeit - die Achillesferse der rotgrünen Regierung - in den Mittelpunkt Ihrer Kampagne stellen wollen. Aber wie wollen Sie das Problem der Arbeitslosigkeit und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Fragen lösen, wenn das globale Finanzsystem kracht und Sie weder diese Gefahr zugeben, noch demzufolge die Gründe für die weltweite Krise analysieren, noch einen Weg zu deren Überwindung aufzeigen?

Der Fairneß halber sollte ich hinzufügen, daß es nicht nur Ihrer beider Fehler ist, auf der Grundlage falscher Prämissen zu argumentieren. Leider haben die Regierungen und führenden Parteien aller G7-Staaten und vieler anderer Länder bisher ihre Unfähigkeit demonstriert, auf die existentiellen strategischen Probleme eine Antwort zu finden.

Ich möchte hier nur einige dieser Probleme nennen:

1. Das globale Finanzsystem, das mit dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Welthandelsorganisation assoziiert ist, befindet sich in der terminalen Phase eines Systemkollapses. Die Liste der Länder, in denen die Politik des IWF vollständig gescheitert ist, wird täglich länger:
Argentinien steht vor der Unregierbarkeit, in Japan kann es schon morgen zu einem Zusammenbruch der Banken kommen, das Land befindet sich längst in der Depression. Südkorea, Indonesien und die anderen Staaten Südostasiens mußten erleben, wie der IWF in der Asienkrise von 1997/98 völlig gegen ihre Interessen operierte. Rußland wurde durch die Schocktherapie beinahe zerstört. Mexiko, Polen - das Vorzeigemodell des IWF - die Türkei und einige mehr steuern auf den Staatsbankrott zu. Die Lage auf dem afrikanischen Kontinent ist eine einzige Anklage gegen den IWF.

2. Glauben Sie wirklich beide, daß es noch lange gutgehen kann, wenn durch die Politik der "Globalisierung" sich die Schere zwischen Reich und Arm auf der Welt immer dramatischer öffnet? Hat ein System eine Zukunft, das darauf angelegt ist, daß es einer "Goldenen Milliarde" relativ gut geht und die übrige Menschheit auf der Strecke bleibt? Und was antworten Sie, Herr Stoiber, auf den dramatischen Appell des Münchner Erzbischofs Wetter, der in seiner Silvesterpredigt u.a. sagte: "Es ist höchste Zeit zum Handeln. Wenn sich die Spannung zwischen Arm und Reich einmal in einem Sturm der Gewalt entlädt, werden wir unsere Erde nicht wiedererkennen. Dann wird wirklich alles anders sein als zuvor, wie man es vom 11. September gesagt hat." Was gedenken Sie beide zu tun, um die unerträgliche Armut des größten Teils der Menschheit zu überwinden?



3. Was sagen Sie beide zu der inzwischen selbst von etablierten Politikern (Andreas von Bülow u.a.) öffentlich diskutierten Tatsache, daß die Ereignisse vom 11. September nicht auf das Konto von Bin Laden, sondern von Militär- und Geheimdienstkreisen in den USA gehen? Wie kann Ihnen denn entgehen, daß in den USA eine Gruppierung von Anhängern eines utopischen Militärkonzepts um die Hegemonie kämpft, wenn selbst in der New York Times Artikel erscheinen, in denen offen ein amerikanisches Weltimperium propagiert wird? Können Sie es wirklich verantworten, daß Deutschland in den Treibsand Afghanistans und weiter noch in einen Krieg der Zivilisationen hineingezogen wird? An dieser Gefahr würde sich auch nichts ändern, wenn die Bundeswehr zehnmal so gut ausgerüstet wäre.

4. Was ist Ihre Position zu der realen Perspektive des Ausbaus der Eurasischen Landbrücke, wie sie von mir seit zehn Jahren als dem Weg zur Überwindung der Wirtschaftskrise vorgeschlagen wird? Inzwischen ist dieser Vorschlag keine bloße Idee mehr, sondern viele Nationen wie China, Indien, Rußland, Südkorea, Malaysia usw. haben längst konkrete Projekte der infrastrukturellen Integration in Angriff genommen. Anfang Dezember hielt der südkoreanische Präsident Kim Dae-jung eine Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, in der er an Europa appellierte, gemeinsam mit Asien am Ausbau der "Neuen Eisernen Seidenstraße" zusammenzuarbeiten. Präsident Putin hat dazu gemeinsam mit Kim Dae-jung eine "Moskauer Erklärung" beschlossen. Sind Sie zu dieser Zusammenarbeit bereit?

Auseinandersetzung um die besten Konzepte

Alle diese Fragen betreffen die Existenz und die Zukunft Deutschlands. Deshalb fordere ich Sie beide auf, mit mir darüber in einer öffentlichen Debatte zu diskutieren. Und zwar nicht in einer von den Medien nach amerikanischem Muster orchestrierten und manipulierten Debatte, sondern in einer wirklichen Auseinandersetzung um Ideen.

Ich möchte nur noch folgendes hinzufügen: Die heutige Krise und die Politikverdrossenheit der Bevölkerung laden auch zu der Reflexion darüber ein, ob die Veränderungen in der SPD weg vom Bad Godesberger Programm, hin zu einer hochgradigen Vergrünung, und in der CDU/CSU weg von der christlichen Weltanschauungspartei Adenauers, hin zu einer pragmatischen Volkspartei, wirklich so gut waren. Das Resultat dieser Veränderungen ist doch, daß das politische Niveau, wie es sich im Bundestag widerspiegelt, ganz gehörig abgesunken ist und man fast den Verdacht haben könnte, als hätte jemand ein Interesse daran gehabt, das deutsche Parteiensystem im Moment der Krise funktionsunfähig zu machen. Wenn die christlichen und sozialen Werte schwinden, dann kommt eben manchmal eine Affäre Semmeling dabei heraus.

Ich fordere Sie deshalb auch dazu auf, mit mir über die moralischen Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten zu diskutieren, die die Basis für den Ausweg aus der Krise sein müssen. Ich bin der klaren Auffassung, daß eine Regierung nur dann eine Legitimität besitzt, wenn sie ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet ist.

Nachdem Frau Merkel nun aus dem Rennen gedrängt wurde, halte ich es für notwendig, daß eine Frau die Debatte mitbestimmt.

Helga Zepp-LaRouche, 17. Januar 2002



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