Das Bild zeigt einen Kupferstich aus dem "Narrenschiff" von Sebastian Brant - eine spätmittelalterliche Moralsatire.
Da sag noch mal einer, die Deutschen hätten keinen Humor! Man muß doch nur aufmerksam die Angelegenheiten des öffentlichen Lebens verfolgen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Nehmen wir z.B. eine im Prinzip völlig ernste Angelegenheit wie die Landtagswahl in Hessen: köstlicher Humor, wo man hinschaut! - Oder wie der Einheimische sagt: „Mer kimmt allsfort net ausem Lache!“ - Gut, nicht immer ist das alles beabsichtigt, aber da kann man durchaus mal drüber hinwegsehen.
Vor allem sind die Parteien so schön schlafmützig. Das fängt schon damit an, daß der „Neujahrsempfang“ des Ministerpräsidenten in der Landeshauptstadt gar nicht an Neujahr stattfindet, sondern mit drei Tagen Verspätung. Gut, Herr Koch ist nicht unbedingt bekannt für schnelles intelligentes Reagieren. Aber braucht er, oder sein Gast, die Bundeskanzlerin, wirklich so lange, um den Silvesterrausch auszuschlafen? Schwer zu sagen, oder auf gut Hessisch: „Mer waases net.“
Mit Schlafmützigkeit hat auch der Humor der konkurrierenden SPD viel zu tun. Ganz Deutschland schmunzelte vor einem Jahr über den mit viel Pomp angekündigten sozialdemokratischen OB-Kandidaten in Wiesbaden, der dann schlicht und einfach vergaß, seine Kandidatur rechtzeitig beim Wahlleiter anzumelden. Ganz so schlimm war es diesmal nicht, aber noch Mitte Januar hängen Plakate, auf denen die SPD-Spitzenkandidatin „Frohe Weihnachten“ wünscht...
Den Vogel schießt aber die FDP ab; der reichen ein paar Wochen Verschlafen nicht, nein, es müssen gleich Jahrzehnte sein. Ihr Wahlspruch lautet „Freiheit oder Sozialismus“. Der alte Franz-Josef Strauß reibt sich im Grab die Augen: Sollten die tatsächlich das Ende von Kommunismus, Sowjetunion, Warschauer Pakt, um fast 20 Jahre verschlafen haben? „Was fer Bosse [Possen]“, ruft da der Hesse, „schnell uffwache, sonst gibt’s en Aamer kalt’ Wasser übber de Kopp!“
Nett sind immerhin ein paar Wahlplakate kleiner Parteien. Eins zeigte vor Weihnachten eine Karikatur mit Maria und Josef und der Überschrift: „Einen Krippenplatz findet man heute auch nicht viel leichter.“ Ein anderes: „Wir sind ein wirksames Mittel gegen Koch-schmerzen“.
Eine Gruppierung wirbt paradoxerweise mit dem Satz: „Wir sind der Geheimtip!“ Ja was denn nun (hessisch: „Moomentemal!“): Entweder man will Stimmen, dann will man doch kein „Geheimtip“ bleiben, oder man will ein Geheimtip sein, dann posaunt man das doch nicht auf Unmengen Posters in die Welt hinaus!?
Spaßig sind auch die vielfältigen Aktivitäten der Äbbelwoi-Parteien. So veranstaltet die SPD in der Landeshauptstadt unter dem Motto „Winter-Lust“ so lust-ige Dinge wie Rundgänge auf dem Friedhof und Probeschnuppern im Klärwerk (bitte Nasenklemme mitbringen). Überhaupt haben’s die Roten mit der Lust: Ein Ortsverband der SPD-Frauen druckte zum Wahlkampf einen Kalender, worin die Dämchen für die Wahlkampfziele nackt posieren. Helau!
Sowas bleibt einem bei den Schwarzen erspart, aber auch die haben ihre Wahlkampf-Geheimwaffen: allem voran eine Sammlung von Karteikarten mit „Argumentationshilfen“ für Wahlkampfkader. Damit der frischfröhliche CDU-Wahlkämpfer bei der Frage: „Was kann der eigentlich, der Koch?“ nicht in Antworten gerät wie: „Hm ja, also ... äh ... eigentlich ... nun ja...“. Nun braucht er nur verstohlen auf sein Karteikärtchen zu linsen, und schon kann er loslegen mit der Lobhudelei auf den Landesvater.
Oder der Aktivist würde ohne diese Kärtchen am Ende gar selber über Politik nachdenken und zu ganz anderen Schlußfolgerungen kommen als sein Chef! Nicht auszudenken! Einem Gerücht zufolge konnte der Erfinder der Argumentationszettel gerade noch davon abgehalten werden, als Wahlsong das bekannte „Die Partei, die Partei, die hat immer recht...“ einzuführen.
Hessischer Humor ist auch, wenn sich in der Landeshauptstadt gleich neben dem Eingang zum Ministerium für Wissenschaft und Kunst im selben Gebäude ein Sexshop findet. Die Oppositionsführerin hat angekündigt, daß sie das Niveau des Ministeriums halten will.
Unterdessen schwappte eine Überraschung von der anderen Rheinseite herüber: Die Studentenzeitung der Uni Mainz berichtete in einem fast ernst gemeinten Artikel, die BüSo habe die hessische Landtagswahl gewonnen. Der Hesse kommentiert: „Ei, warum dann net?“
Übrigens: Wenn Sie feststellen, daß nach dem 27. Januar noch jemand in Hessen großen Quatsch macht, ist das nicht mehr der Wahlkampf, sondern die Fastnacht. Es grüßt herzlich
Ihr Eulenspiegel
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