April 2004:
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Streit um Status der Zentralbanken

Hans-Eichel
Nochmal davongekommen!? - Wer weiß, ob im Zuge der weiteren Entwicklung Hans Eichel nicht auch noch seinen Hut nehmen muß?

Die Vorgeschichte von Weltekes Rücktritt zeigt: Hier geht es nicht nur um eine Hotelrechnung oder um die Privatfehde mit Finanzminister Eichel, sondern um einen Konflikt von weit größerer Tragweite..

Am 16. April trat Bundesbankchef Welteke zurück. Wer weiß, ob im Zuge der weiteren Entwicklung Hans Eichel nicht auch noch seinen Hut nehmen muß? Noch interessanter ist der größere Konflikt dahinter, und da geht es um mehr als die von der Dresdener Bank zu Sylvester 2001 "gespendeten" 7600 Euro für Weltekes Übernachtung im Berliner Nobelhotel Adlon.

Der jüngste Krach zwischen Welteke und Eichel hat eine mehrmonatige Vorgeschichte, und die hat etwas mit der Frage zu tun, welchen Status die Europäische Zentralbank in der künftigen Europäischen Verfassung haben soll, und damit, ob in Zeiten schwerer monetärer Krisen die Freiheit der Kapitalmärkte eingeschränkt werden darf und kann.

Man muß zum Spätherbst 2003 zurückgehen, um zum Kern des Konflikts um Welteke zu kommen. Die beiden Verträge von Maastricht 1992 und von Amsterdam 1997 schufen die Europäische Zentralbank (EZB) und das System der Zentralbanken in den Mitgliedsländern (ESZB) nicht nur als völlig regierungsunabhängige Institutionen. Sie machten die EZB und die nationalen Zentralbanken auch zur Spinne im Netz der europäischen Finanz- und Geldpolitik. Artikel 107 des europäischen Vertrages hierzu legt fest: "Bei der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen von Mitgliedsstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedsstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlußorgane der EZB oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen."

Die Maastrichter Illusion radikaler Monetärtheoretiker des Jahres 1992 zerbrach jedoch endgültig unter dem Druck der seit Ende 2002 merklich verstärkten internationalen Wirtschafts- und Finanzmarktdepression. Bei den Beratungen über die künftige Europäische Verfassung kam eine Mehrheit der Experten in der verantwortlichen Fachkommission zu der Überzeugung, die EZB herabzustufen und lediglich zu einer von insgesamt sieben Institutionen der künftigen Europäischen Union zu erklären. Die übrigen sechs europäischen Institutionen in diesem Verfassungsentwurf sind: Parlament, Rat der Regierungschefs, Ministerrat, Kommission, Gerichtshof und Rechnungshof. Diese Herabstufung der EZB konnten die Lobbyisten der Zentralbankiers wie Welteke genausowenig verhindern wie eine Klausel, derzufolge die nationalen Parlamente zu Eingriffen in Entscheidungen der EZB befragt werden können.

Auch die Tatsache, daß sich die Finanzminister der Eurozone Ende November 2003 mehrheitlich über die Androhung von EZB und EU-Kommission, Sanktionen gegen Frankreich und Deutschland wegen Verfehlung der Maastrichter Haushaltsziele einzuleiten, einfach hinwegsetzten und gegen solche Sanktionen stimmten, unterstreicht den schwindenden Einfluß der Zentralbankiersfraktion. Hans Eichel hätte unter anderen Umständen gewiß auf EZB-Linie gelegen, aber die eigene akute Finanz-, Steuer- und Haushaltskrise ließ ihm jetzt gar keine andere Wahl, als sich gegen Sanktionen zu wehren.

Das Verhalten der Eurozonen-Finanzminister vor dem Hintergrund der für Mitte Dezember anstehenden Entscheidung der EU-Regierungschefs über den Verfassungsentwurf führte zu einem schweren Konflikt mit der EZB, mit der EU-Kommission, und mit einzelnen Zentralbankiers. Welteke, der in Interviews vor dem Treffen der Finanzminister schon gewarnt hatte, der Verfassungsentwurf sei "eine Gefahr für die Stabilitätskultur" der Europäischen Union, forderte am Tag vor dem EU-Gipfeltreffen vom Bundeskanzler, dem Entwurf auf gar keinen Fall zuzustimmen. Dies, so Welteke, habe der Bundesbankvorstand dem Kanzler auch in einem besonderen Brief mitgeteilt.

Tatsächlich scheiterte anderentags der EU-Verfassungsentwurf - vordergründig am Widerstand des spanischen Regierungschef Aznars und des polnischen Regierungschefs Miller. Aber die Sache hatte in Berlin ein Nachspiel.

Zum einen entschied Eichel nun, bei der Neufassung der Gesetze für das Finanzwesen die nationale Aufsicht über den Bankenbereich nicht der Bundesbank unterzuordnen. Die Retourkutsche der Bundesbank kam im März: Man werde nicht die erwarteten mehreren Milliarden Euro an Gewinnen aus Dollardevisengeschäften der Bank an das Finanzministerium überweisen, sondern nur einige hundert Millionen. Der Verfall des Dollarwerts gegenüber dem Euro ist zwar der Bundesbank nicht anzulasten, aber Eichel hatte die Milliardensumme bereits im Haushalt eingeplant, der nun wieder einmal zur Makulatur wurde.

Die nächste schwere Verstimmung zwischen Eichel und Welteke entstand über den Plan des Ministers, die Bundesbankgoldreserven auf den Weltmärkten zu verkaufen, um so einige Milliarden Euro für die Haushaltskonsolidierung zu erwirtschaften. Die Idee selbst ist hirnrissig, denn die Bundesbank sollte das Währungsgold lieber behalten, weil sie es im Rahmen eines neuen Bretton-Woods-System sicher noch brauchen wird. Und Welteke ist auch gar nicht gegen den Goldverkauf, aber er zankte weiter, dabei auf die noch geltenden Maastrichter Unabhängigkeitsregeln für die EZB und die Mitgliedszentralbanken pochend.

Weltekes Halsstarrigkeit soll, wie man jetzt hört, Finanzfachleute um Eichel zu Überlegungen "angeregt" haben, eine grundsätzliche Neuregelung der Kompetenzen in der Goldsache über eine Änderung des Bundesbankgesetzes zu erreichen. Das ist genau das, was die Zentralbankiers vermeiden wollen. Schon werden auch im neoliberalen Lager Stimmen laut, Welteke sei mit seiner Weigerungshaltung nicht der rechte Mann am Platze, denn er erreiche wenig und provoziere die Gegenseite zu Eingriffen in Zentralbankinteressen.

Genau an diesem Punkt, an dem Welteke an Unterstützung auch im eigenen Lager zu verlieren begann, machte jene "Adlon-Affäre" die Runde in den Medien, einflußreiche Zeitungen stempelten mit Hinweisen auf einen früheren Besuch des Wiener Opernballs Welteke plötzlich zum "Party-Banker" ab und forderten seinen Rücktritt. Der Vorgang ist symptomatisch für das derzeitige Auseinanderbrechen des Zusammenhalts der politischen Eliten. Anstatt die Lösung der offensichtlichen Probleme in einem großen Wurf, in Überlegungen etwa zur gänzlichen Abschaffung des Maastrichter Systems und zur Schaffung eines neuen Systems im Sinne des alten Abkommens von Bretton Woods zu suchen, verstricken sich die Eliten in Intrigen unter- und gegeneinander. Der Umgangston wird rauher, die Methoden rabiater.

Schon der plötzliche Rücktritt von IWF-Direktor Hans Köhler vor einigen Wochen zugunsten der CDU-Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten wies auf interne Reibereien unter führenden Funktionären der internationalen Finanzwelt hin. Das herkömmliche monetaristische System ist aus dem Lot. Aber mit der Ablösung der Regierungschefs von Spanien und Polen ab Mai wird eine Lage geschaffen, in der es nicht mehr wie noch im Dezember ein Veto gegen den europäischen Verfassungsentwurf geben wird. Die Verfassung ist zwar nicht der große Wurf, aber sie bietet den europäischen Regierungen immerhin einige bessere Möglichkeiten, finanz- und wirtschaftspolitisch zu handeln.


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