Die Frage war an vier Mitglieder des Streitkräfteausschusses im Abgeordnetenhaus gerichtet, die Demokraten Ike Skelton und Jim Marshall sowie die Republikaner Jim Saxton und Mac Thornberry, die darüber berieten, wie der Ausschuß in dieser Legislaturperiode das Thema Irak behandeln soll. In den folgenden 48 Stunden dankte man dem LYM-Vertreter auf vielen anderen Veranstaltungen politischer Denkfabriken in der Hauptstadt dafür, daß er Cheneys Amtsenthebung in die Diskussion brachte. Die Politiker auf dem Podium wichen zwar einer Antwort geflissentlich aus, aber der junge Aktivist blieb am Ball: Er drückte jedem von ihnen ein Exemplar von Lyndon LaRouches politischem Programm für den neuen 110. US-Kongreß in die Hand und betonte dabei, es wisse doch ohnehin jeder im Kongreß, in welchen Schlamassel Cheney die USA mit seinen Lügen über den Irak gebracht habe. Die gleiche Botschaft brachte die LYM den Büros sämtlicher Abgeordneter und Senatoren beider Parteien.
Am Montag, dem 8. Januar, teilte sich die LYM in sechs Gruppen zu je 10-15 Personen auf, wobei jede Gruppe auch einen kleinen Chor bilden konnte. Eine Abteilung ging zur Veranstaltung des CSIS, die anderen zum Kongreßgebäude am Capitol Hill. Später vereinten sich alle wieder am Bahnhof Union Station zu einem großen Chor und erregten viel Aufsehen mit ihrem Belcanto-Gesang und mit Bannern wie „Große Ferien-Sonderaktion! Bush und Cheney: zwei Amtsenthebungen zu einem Preis“.
Die LYM und LaRouches politisches Aktionskomitee LPAC haben sich auch vorgenommen, Cheneys Plan für einen Krieg gegen den Iran überall bekannt zu machen. Den Deckmantel für die Vorbereitung dieses Krieges soll die Truppenverstärkung im Irak bilden, die Bush durchsetzen will, obwohl die Lage dort immer chaotischer wird und immer mehr Opfer fordert. Das begann schon, bevor der Kongreß am 4. Januar eingeschworen wurde: Per Fax und E-Mail wurde der EIR-Artikel „Das wahre Ziel ist der Iran“ an Hunderte Kongreßbüros verschickt. Ab Montag hatte die LYM dann Treffen mit mehreren Dutzend Assistenten von Kongreßmitgliedern und überbrachten persönlich LaRouches Schriften zu Politik und Wirtschaft. Während viele Berufspolitiker, viele davon aus der „68er Generation“, nach der Wahl im November erst einmal Urlaub machten, ging die LYM sofort daran, die neu gewählten Abgeordneten zu informieren (siehe dazu den Artikel „LYM bereitet neue US-Abgeordnete auf historische Legislaturperiode vor“ in der letzten Ausgabe der Neuen Solidarität).
Bei der Anhörung des Außenpolitischen Ausschusses im Senat am 11. Januar wurde deutlich, daß die Regierung so isoliert ist wie keine ihrer Vorgängerinnen seit dem Vietnamkrieg. „Der heutige Tag markiert das überparteiliche Ende des absegnenden Senats“, erklärte die demokratische Senatorin Barbara Boxer, und tatsächlich waren kaum Unterschiede in der Haltung der demokratischen und republikanischen Senatoren bei der Befragung von Außenministerin Condoleezza Rice zu spüren.
Auf republikanischer Seite eröffnete Senator Richard Lugar die Verhandlungen, indem er seine Ansichten über die Notwendigkeit einer umfassenderen regionalen Diplomatie und einen regionalen Dialog darlegte, wogegen sich die Regierung vehement wehrt. Sein Parteifreund Senator Chuck Hagel erklärte zu der von Präsident Bush angekündigten Truppenverstärkung im Irak: „Das ist eine Eskalation, und ich bin mit einer Eskalation nicht einverstanden.“ Er fragte Rice, ob man die Grenze nach Syrien und Iran überschreiten werde, und als sie einer Antwort auswich, sagte Hagel: „Sie können nicht hier sitzen und sagen, daß wir diese Grenzen nicht überschreiten werden. Einige von uns erinnern sich an die 70er Jahre, als uns die Regierung [in Bezug auf Kambodscha] belog.“ Die Rede des Präsidenten bedeute den gefährlichsten außenpolitischen Fehler seit Vietnam, wenn sie verwirklicht werde, „und dem werde ich mich wiedersetzen“, erklärte Hagel. Auch Senator George Voinovich äußerte Skeptizismus gegenüber der Truppenverstärkung. Auf demokratischer Seite herrschte einmütige Ablehnung, auch unter einstigen Unterstützern des Krieges wie Senator Bill Nelson.
Am Ende der Anhörung sagte Senator Biden zu Rice, sie solle dem Präsidenten mitteilen, daß im Ausschuß etwas „profundes“ geschehen sei, da von den 21 Mitgliedern des Ausschusses - mit ein oder zwei Ausnahmen - alle gegenüber dem, was der Präsident am Vortag vorgetragen habe, Widerspruch, Feindseligkeit oder große Sorge geäußert hätten. Wenn der Präsident gegen den Iran vorgehe, werde es zu einer Konfrontation über Verfassungsfragen kommen.
Die LYM war bei Kennedys Pressekonferenz im Nationalen Presseklub im Saal wie draußen vor dem Gebäude bestens präsent. Draußen erfreute der Chor die Teilnehmer und andere „Schlipsträger“, die den Presseklub besuchten, mit einer Bach-Motette und mit neuen Fassungen von Weihnachtsliedern und Kanons von Beethoven, Bach und Mozarts mit satirischen politischen Texten. Drinnen in der Pressekonferenz lieferte die LYM die wichtigste Frage ab, die kein anderer stellen wollte: „Wann wird der Kongreß begreifen, daß Cheney ihm zwei Kriege voraus ist und Bushs Truppenverstärkungsplan nur ein Deckmantel für einen Krieg gegen den Iran ist?“ Der Veranstaltungsleiter, der nur schriftliche Fragen annahm, las sie aber nicht vor, woraufhin die LYM-Vertreter ihn am Ende der Veranstaltung zur Rede stellten, wie er so eine wichtige Frage auslassen könne.
Aber wo kann man in Deutschland erfahren, daß in Washington so Hoffnungsvolles geschieht? Vielleicht nur in der Neuen Solidarität.
In der Onlinefassung des Spiegel erschien am 6. Januar neben dem Leitartikel das Foto eines Posters vor dem „Tempel“ der Neocons, dem American Enterprise Institute, mit der Aufschrift „Setzt als erstes den Teufel ab!“ und einem Teufelchen mit Hörnern, rotem Schwanz und Dick Cheneys Gesicht.
Der Spiegel bemerkt, daß sich die Politik in Washington mit dem Sieg der Demokraten grundsätzlich wandelt, und dann heißt es: „John McCain und Joe Lieberman kommen durch die Garage, ein Aufzug bringt sie direkt in die zwölfte Etage. Vor der Tür hätte es Ärger gegeben, hundert wütende Demonstranten warten draußen, Kriegsgegner, entschlossen, die beiden Senatoren zur Rede zu stellen. Ein Chor singt, um den Hals tragen sie Bilder des amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney. ,Amtsenthebung für Satan’ steht darauf.“
Aber typischerweise wird im Spiegel nicht erwähnt, wer dieser „Chor“ war: natürlich die LYM, die mit ihrem 70köpfigen Chor nicht nur den Tempel der Neocons beehrte, sondern auch alle anderen wichtigen Orte in der amerikanischen Hauptstadt: Außenministerium, Kongreß und Weißes Haus.
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