Heutzutage ist es ja "in", nur das zu tun und vor allem zu denken, was einem das TV vorschlägt. Man fühlt sich fit mit Barbara Beckers neuer Gymnastik-CD, trägt Wellness-Kleidung, ißt Wellness- und Fitnessmüsli und putzt sich mit "Feeling"-Taschentüchern die Nase. Man könnte in der heutigen Zeit echt vergessen, daß man ein "eigener" Mensch ist, wie ich das nenne -- also ein eigener Kopf, eine eigene Ideenquelle, die nur so sprudelt, wenn man mal richtig lauscht.
Schon Pythagoras wußte das und machte das den Menschen klar: das Universum ist aktiv, alles ist in beständigem Wandel, und der Mensch -- bzw. der einzelne Geist -- ist so eine Art Motor für den in den Wachstumsgesetzen innewohnendem Drang nach Verbesserung.
Mit dem richtigen "Lauschen" meine ich nicht, daß man nun seine Uhr zuhause andersherum stellt oder dem nervigen Nachbarn vom Balkon aus auf den Kopf spuckt. Das ist nicht das "Eigene" des Menschen. Dieses „Eigene“ bezeichnete Pythagoras oft als Gott oder "Dämon" (im Griechischen „daimon“; man kann es auch metaphorisch als der dem Menschen innewohnende Genius oder göttliche Funke oder einfach „Individualität“ übersetzen und sagt: "Du sollst deinen eigenen Daimon nicht verletzen." Er war es auch, der als erster unverrückbar aussprach, was viele Weise vor ihm bereits ahnten: die menschliche Seele ist unsterblich!
Pythagoras lebte vor 2500 Jahren, bevor es Christen- und Judentum und Islam gab. Angesichts der Tatsache, daß sich die Menschen heute so schnell gegeneinander gegen Andersgläubige oder gegeneinander aufhetzen lassen, sind Pythagoras „Goldene Verse“ heute hochaktuell. Er sagte u.a.:
vor allem über den Bauch, über Schlaf, Geilheit
und Zorn. - Tue niemals etwas Schändliches, weder mit anderen
noch allein; am meisten schäme dich vor dir selbst....
Du wirst erkennen, daß die Menschen selbstgewählte Leiden haben,
die armen, die das Gute, das nahe ist, nicht sehen
und nicht hören; nur wenige wissen eine Befreiung aus diesen Übeln.
Dieses Schicksal schwächt ihren Sinn. Wie rollende Steine
werden sie hierhin und dorthin gestoßen, erleiden endloses Leid.
Denn ein verderblicher Begleiter, der Streit, schadet ihnen unbemerkt
und ist mit ihnen verwachsen. Diesen darf man nicht antreiben:
man muß ihm weichen und entfliehen.
Vater Zeus, wahrhaftig! Alle würdest du von vielen Übeln erlösen,
wenn du allen zeigtest, mit welchem Daimon sie leben!
Du aber sei guten Mutes, denn göttlich ist das Geschlecht der Sterblichen,
und die Natur, die das Heilige offenbart, zeigt ihnen alles.
Wenn dir davon etwas zuteil wird, wirst du das beherrschen, was ich dir verordne.
Du wirst deine Seele heilen und aus diesen Übeln retten.
....Bedenke dies alles, wenn du wählst,
und stelle die beste Einsicht oben als Wagenlenkerin hin.
Wenn du den Körper verläßt und in den freien Äther gelangst,
wirst du unsterblich sein: ein unsterblicher Gott, nicht mehr sterblich.
Deshalb liegt mir dieses Thema natürlich besonders am Herzen. Ob es sich darum handelt, daß man eine bestimmte Musikrichtung vorzieht, weil die Freunde gesagt haben: "Du, das ist echt cool." oder weil das TV (auch hier!) oder Radio manche Melodien, die gerade "in" sein sollen, so oft abspielt, daß sie einem schon zu den Ohren wieder herauslaufen.... jeder konsumiert gedankenlos, ähnlich wie die Chips und Flips, die man so beim Fernsehen vertilgt -- nur daß man hier nachher die Bauchschmerzen bemerkt, (das Junkfood für den Geist hinterläßt oft nicht gleich solch offensichtliche Spuren).
Auch die Interpretation klassischer Werke von Mozart, Haydn, Beethoven und Brahms kommt mir meist vor wie Konsumproduktion. Technisch "feilt" man bis zum Gehtnichtmehr, so daß sich Aufführungen beinahe so perfekt anhören wie abgespielte CDs -- doch das "eigene" Denken, der Geist der Musiker, die sich mit den hinter den Noten steckenden Ideen des Komponisten wirklich intensiv beschäftigt haben, kann man nicht heraushören. Da denke ich an Aufnahmen von Pablo Casals, der zu Beginn immer schnaufte, manchmal zu langsam war oder auch mal ein bißchen kratzte -- aber dann leitet er den Zuhörer mitten in den Schöpfungsprozeß der Musik....
Und da wäre ich wieder bei Pythagoras, den "Inventor Musicae", "Erfinder der Musik" (so nennt ihn der Schreinermeister Jörg Syrlin, der ca. 1450 im Ulmer Münster im Chorgestühl Pythagoras mit der Laute geschnitzt hat)! Die Musik ist auf Geometrie gegründet, die wiederum die Geometrie des ganzen Universums widerspiegelt. Deshalb kann die Musik zum "Selberdenken" anregen, aber es einem auch abgewöhnen, oder nur die Triebe und Gelüste anstacheln, von denen ja keiner abhängig sein will, oder?
Caroline Hartmann kandidiert auf Platz 26 der Kandidatenliste der Bürgerrechtsbewegung Solidarität für die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung.
P.S.: Wenn Sie mehr über Pythagoras wissen möchten, können Sie auch mal hineingucken in: "Wer war Pythagoras? Teil 1 und Teil 2 bzw. die Serie "Warum ist das Schöne schön? -- Pythagoras und die Musik" (PDF-Version) von Caroline Hartmann
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